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Neoliberalismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

 

Als Neoliberalismus bezeichnet man zusammenfassend ein wirtschaftspolitisches und sozialphilosophisches Konzept, das auf dem klassischen Liberalismus und der Neoklassischen Theorie basiert und den Einfluss des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen minimieren will, im Unterschied zum Laissez-faire allerdings ein regulierendes Eingreifen des Staates zur Sicherstellung funktionierender Märkte als notwendig ansieht.

Dem Neoliberalismus werden verschiedene Strömungen zugeordnet, vor allem der Ordoliberalismus der Freiburger Schule und der Monetarismus der Chicagoer Schule, zuweilen auch die Österreichische Schule, die sich selbst allerdings als "klassisch liberal" begreift.

Der Neoliberalismus steht im Gegensatz zum Keynesianismus, der eine aktive Wirtschaftspolitik des Staates fordert, dem Protektionismus, der ausländische Anbieter auf dem Inlandsmarkt zu benachteiligen versucht, sowie dem Sozialismus, der sich gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln wendet.

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Geschichte

Der Begriff "Neoliberalismus" wurde von den Ökonomen Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, Walter Eucken und anderen auf einer Konferenz in Paris im Jahre 1938 im Zuge eines Konzepts für eine langfristige Wirtschaftspolitik geprägt.

Er stellt, zwei Jahre nach Veröffentlichung von John Maynard Keynes' "Allgemeiner Theorie", einen Gegenentwurf zu dessen Modell des antizyklischen Wirtschaftens dar. Der Keynesianismus wurde vorherrschend in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, verlor aber mit den Rezessionen der 70er Jahre seine Glaubwürdigkeit. Im Gegensatz zum Keynesianismus steht auch der von Milton Friedman entwickelte Monetarismus mit seiner Quantitätstheorie, die nach Friedmans eigenen Worten den Ausgangspunkt der monetaristischen "Gegenrevolution" darstellt.

Dass Wettbewerb im staatlichen Rahmen stattfinden solle, wurde keineswegs in Frage gestellt: eine prägnante Ausformung neoliberaler Ideen findet sich im Ordoliberalismus der Freiburger Schule. In der Bundesrepublik beruft man sich zwar auf das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft der Ordoliberalen, verzichtete allerdings in den ersten Nachkriegsjahrzehnten darauf, deren Forderung nach einer Wettbewerbsordnung der vollständigen Konkurrenz zu erfüllen. Die Einbeziehung des keynesianischen Konzepts der Globalsteuerung Ende der 60er Jahre, führte in der Öffentlichkeit zu der Vorstellung, dass die Soziale Marktwirtschaft sozial sei. Die Ordoliberalen wollten allerdings damit ausdrücken, dass die Marktwirtwirtschaft an sich selbst bereits soziale Leistungen erbringe.

Eine Begründung für das Vertrauen in den Markt und in die Privatwirtschaft finden wir bei Karl Brunner. Der Neoliberalismus geht nämlich von der Stabilität des privaten Sektors aus. So schreibt K. Brunner in "The Monetarist Revolution", 1973: "Der private Sektor absorbiert Schocks und formt sie in eine stabilisierende Bewegung um [...] die Hauptinstabilitäten und Unsicherheiten des ökonomischen Prozesses [gehen] auf das Verhalten des staatlichen Sektors zurück. Die Unsicherheiten sind im besonderen den Steuer- und Ausgabenprogrammen zuzurechnen sowie den Maßnahmen eingreifender Instanzen. Die Instabilität ist vor allem der Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik zuzuschreiben."

Hayek dachte, dass zur Durchsetzung des Konzepts des Neoliberalismus mit einem Prozess zu rechnen wäre, der über zwei bis drei Generationen dauern würde, als politisches Projekt gründete er 1947 die Denkfabrik Mont Pelerin Society. Weitere wichtige Institute wurden in der Folge gegründet: das Institute of Economic Affairs 1971 in London, die Heritage Foundation 1973 in Washington, D.C und die Atlas Economic Research Foundation, sowie das Fraser Institute und das Manhattan Institute for Public Policy Research. In Deutschland z. B. der Kronberger Kreis - wissenschaftlicher Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, die es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht hat, ihr Denken des "zukunftsweisende marktwirtschaftliche Konzepte zu entwickeln, bekannt zu machen und Politik und Öffentlichkeit für sie zu gewinnen".

Hayek kann zwar als "Urvater" von neoliberalen Ideen bezeichnet werden, dennoch gibt es den Neoliberalismus als die eine Schule nicht, vielmehr kann man von einem vielfältigem, institutionalisiertem Netzwerk sprechen, wo verschiedene, differenzierte Meinungen nebeneinander Platz haben. Das Ergebnis eines u.a. marktorientierten Prozess ist unvorhersehbar und offen, Karl Popper spricht hier von einer offenen Gesellschaft. Hayek entwickelte bis zu seinem Tode den Neoliberalismus zu einer dynamischen Theorie sozialer Institutionen weiter und erhielt für seine Arbeit 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Wesentliche Elemente

  • Privateigentum: Nach neoliberaler Auffassung ist es nicht Aufgabe des Staates, unternehmerisch tätig zu werden. Gefordert wird deshalb die Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Aufgabe von Staatsbeteiligungen, insbesondere auch von staatlichen Monopolen im Bereich der Infrastruktur (Daseinsvorsorge) wie Telekommunikation, Verkehr oder Energie. Die Weltbank hat als übergeordnete Strategie das sog. Private Sector Development, vergleiche auch Konzept der Public Private Partnership.
  • Stabilitätspolitik: Geldmengenpolitik soll stabile Preise durch eine stabile Währung (makroökonomische Stabilität) und durch einen ausgeglichenen Staatshaushalt garantieren.
  • Markt als Steuerungsinstrument: Nach neoliberaler Überzeugung soll der Markt, also Angebot und Nachfrage, über Art, Preis und Menge der Sach- und Dienstleistungen entscheiden, da so eine optimale Allokation der Ressourcen stattfinde.
  • Wettbewerb: Der Staat hat für funktionierende Märkte zu sorgen und im Falle deutlich unvollkommener Märkte regulierend einzugreifen, etwa durch Steuern auf externe Effekte und durch Kartellgesetzgebung.
  • Deregulierung: Neoliberale fordern eine Deregulierung der Wirtschaft im Sinne einer Reduzierung der Gesetze und Verordnungen, soweit sie als übertrieben bürokratisch und nicht wirklich notwendig angesehen werden, weil dadurch Investitionen verhindert würden.
  • Welthandel: Neoliberale befürworten die Globalisierung im Sinne einer Förderung des Freihandels zwischen den Staaten, sei es durch globale Organisationen wie der WTO mit ihren Vereinbarungen wie GATT, GATS, TBT, SPS, TRIPS, oder sei es durch Freihandelszonen und vermehrte Sonderwirtschaftszonen oder der Abschaffung der Grenzen der Nationalstaaten. Der freie Handel trägt nach Einschätzung des Neoliberalismus zur Förderung von weltweitem Wohlstand bei. Die Einschränkung des Handels mittels tarifärer Handelshemmnisse (Schutzzölle) und eine Förderung bestimmter Wirtschaftszweige durch den Staat (Subventionen) hingegen führt nach neoliberaler Vorstellung zu Ungleichverteilung und Armut auf der Welt. So haben es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer, gegenüber der hochsubventionierten europäischen Agrarwirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Neoliberale werfen den Industriestaaten vor, nur von den Entwicklungsländern Handelsfreiheit zu fordern, diese jedoch nicht im eigenen Land einführen zu wollen.
  • Steuerpolitik: Gefordert werden in der Regel niedrige Steuersätze und ein einfaches Steuersystem, etwa in Form eines einheitlichen oder Stufentarifs, anstelle eines bürokratischen Systems von zahllosen Einzelbestimmungen. Steuern auf die Substanz werden als Doppelbesteuerung ebenso abgelehnt wie Bagatellsteuern, bei denen die Einnahmen oft kaum höher sind als der Aufwand zu ihrer Erhebung.
  • Sozialsystem: Auch im Bereich der Sozialsysteme befürworten Neoliberale privatwirtschaftlich organisierte Lösungen anstelle der als bürokratisch angesehenen staatlichen Systeme. Damit soll eine effizientere Verwaltung der Mittel des Bürgers erreicht werden. Das Umlageverfahren wird kritisiert, da es auf keiner soliden Basis stehe. Statt dessen wird private Vorsorge im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens befürwortet. Das bedeutet also, dass die sozialen Sicherungssysteme umgebaut werden: der Sozialstaat wird abgebaut, marktwirtschaftliche Systeme werden aufgebaut. Staatliche Leistungen würden sich dann auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren, also diejenigen, die nicht in der Lage sind, für ihren eigenen Lebensunterhalt aufzukommen. Milton Friedman hat eine negative Einkommensteuer vorgeschlagen; danach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen, dessen Einkommen unter einem festzulegenden Minimum liegt, die Differenz ohne weitere Prüfungen überweisen. [1] (http://www.oeffentliche-finanzen.de/zeit/Friedman.htm)
  • Verbände:Der Neoliberalismus ist allgemein gegen Machtkonzentration und wendet sich von daher auch gegen gruppenegoistische Machtentfaltung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.
  • Konjunkturpolitik: Es wird gefordert, dass auch in rezessiven Phasen der Wirtschaft keine antizyklischen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen seitens der Politik stattfinden sollen. Beschäftigungsprogramme seien Strohfeuer, die langfristig mehr schaden als nutzen würden. Subventionen verzerren nach neoliberaler Auffassung den Wettbewerb, verhindern Innovation und Strukturwandel und sollen deshalb abgebaut werden.

 

Beispiele neoliberal orientierter Politik

Als "Experimentierfeld" für neoliberale Wirtschaftspolitik gilt Chile. Milton Friedman prägte den Begriff vom "Wunder von Chile" und betonte den wirtschaftlichen Erfolg unter Pinochet. Die Frage nach Erfolg oder Misserfolg ist allerdings umstritten. Ronald Reagan ("Reaganomics") und Margaret Thatcher ("Thatcherismus") waren die ersten bedeutenden Politiker, die neoliberale Ansätze in den Industriestaaten umsetzten. In Österreich wandte sich die SPÖ/FPÖ Regierung 1985 mit einer Absage an den Keynesianismus einer restriktiven Budgetpolitik zu, 2003 setzte die ÖVP/FPÖ auf einen neoliberalen Kurs. In Deutschland vertritt vor allem die FDP (neo-)liberale Positionen, Kritiker bemängeln aber, dass in der Praxis die Programmatik häufig durch Klientelpolitik ersetzt werde. Neoliberale Ansätze gibt es aber auch in anderen Parteien. So wird das Reform-Programm Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung von einigen Beobachtern als Praxisbeispiel neoliberaler Politik gewertet. Neoliberale Programmatik findet man ausserdem in den Zielen verschiedener außerparlamentarischer Gruppierungen und Stiftungen, siehe unter Reforminitiativen.

 

Internationale Organisationen

Die WTO mit Ziel des weltweiten Freihandels vertritt neoliberale Forderungen. Auch Weltbank und IWF werden oft mit Neoliberalismus in Verbindung gebracht. Seine Verbreitung als Konzept wurde von Ökonomen der Weltbank und des IWF nach dem Zweiten Weltkrieg vorangetrieben, als Antwort auf die Programme zur Förderung von Entwicklungsländern, die nicht den gewünschten Erfolg zeigten: Förderungen für Großprojekte ließen die armen Länder mit Schulden und geringem Wirtschaftswachstum zurück, die größere Bedeutung liegt aber in den 1970er Jahren als Versuch, eine strukturelle Krise zu beantworten. (Siehe auch Konsens von Washington). Die Gewährung von Krediten an ein Land wird oft von der Durchführung liberaler Reformen abhängig gemacht. Allerdings werden IWF und Weltbank auch von neoliberaler Seite kritisiert, z.B. wenn durch Begünstigung lokaler Machteliten marktverzerrende und interventionistische Politik betrieben wird. Auch das Weltwirtschaftsforum (WEF) wird von vielen in seinen Zielsetzungen als neoliberal angesehen.

Kritik neoliberaler Politik

Von Kritikern wird der Neoliberalismus als Politik bezeichnet, die auf Deregulierung und den Rückzug des Staates beziehungsweise verminderter staatlicher Kontrolle zugunsten freier Märkte setzt. Von Gewerkschaften und Globalisierungskritikern werden die von "neoliberaler" Politik geforderten Privatisierungen und die Einschränkung staatlicher Wohlfahrtsleistungen kritisiert, da sie zu einer 'Entfesselung des Marktes', aber auch zu einer Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, führen. Dadurch verschärfe sich einerseits die weltweite soziale Lage, andererseits komme es zu einem Verlust demokratischer Teilhabemöglichkeiten.

Es wird behauptet, dass neoliberale Positionen einer Verengung der ökonomischen Sichtweise (la pensée unique- Einheitsdenken) Vorschub leisteten, da die einzelwirtschaftliche Rationalität auf die gesamtwirtschaftliche Rationalität übertragen würde. Manche Kritiker unterstellen, dass "Neoliberale" andere Menschen gerne an sich selbst mäßen und dabei vergessen würden, dass soziale Umstände maßgebliche Einflußfaktoren für den persönlichen ökonomischen Erfolg sein können.

  • Soziale Effekte der Deregulierung:Es wird kritisiert, dass Neoliberalismus den freien Wolf im freien Stall der freien Hühner frei wildern lasse, also durch diese 'Entfesselung des Marktes' Ungleichgewichte und Unausgewogenheiten (Nord-Süd-Gefälle, Spaltung der Gesellschaft in arm und reich) eher verschärft würden, anstatt sie auszugleichen. So folgt etwa die Senkung der Einkommensteuer für Spitzenverdiener der Trickle-down-Theorie, deren Effekt von Kritikern aber bezweifelt wird. Mit dem Rückzug des Staates greift in vielen Lebensbereichen die Logik des Marktes (vergleiche Kommodifizierung). Kritiker beklagen hier die fehlende Regulierung durch den Staat beziehungsweise der Einschränkung durch gesellschaftliche Normen. Der von neoliberalen Denkern gepriesenen Freiheit durch Marktchancen und der schnellen Reaktion auf sich verändernde Marktlagen halten Kritiker entgegen, dass im Gegenzug ein allzu kurzfristiger Blick auf Rendite vorherrsche, dem sich moralische oder soziale Normen unterzuordnen hätten.
  • Demokratische Teilhabe: Eine weitere Gefahr des Neoliberalismus sehen viele im Verlust demokratischer Einflussmöglichkeiten auf das Gemeinwesen. Je mehr öffentliche Bereiche (etwa Öffentlicher Raum, Bildungseinrichtungen, gemeinnützige Wohnungsgesellschaften, Wasser und Energie, Verkehrsgesellschaften, kulturelle Einrichtungen, Sporteinrichtungen, medizinische Einrichtungen) in privates Eigentum übergehen und an einem Markt bestehen, Gewinn abwerfen sollen, desto geringer wird der Einfluss des Volkes (der Bürger, und der Parteien) auf diese Bereiche, soziale Aspekte werden vernachlässigt zugunsten von Rendite. Der angebliche geförderte Wettbewerb, harmonisiere sich in Preisabsprachen der Konzerne, zum Leidwesen der Bürger. Die Folgen neoliberaler Politik zeigten sich für manche auch in der einseitigen Betonung des Konsums (Konsumgesellschaft) und Desinteresse an politischer Teilhabe. Auf internationaler Ebene richtet sich die Kritik vor allem gegen die Macht der WTO. Länder, die sich der WTO angeschlossen haben, anerkennen die völkerrechtlich verbindlichen Entscheidungen der WTO-eigenen Schiedsstelle, die bei Streitfällen vermittelt, und stellen sie damit über die nationale Gesetzgebung. So können etwa nationale Regelungen im Umweltschutz oder Verbraucherschutz von einem (privaten) Konzern zu Fall gebracht werden, wenn die WTO diese als ein unzulässiges Handelshemmnis ("Notwendigkeitstest") anerkennt. Eine Schlichtung durch ordentliche Gerichte ist nicht vorgesehen. Eine Berufung ist nicht möglich. Gremien wie die private Organisation WEF, das von manchen Kritikern in seinen Zielsetzungen als neoliberal angesehen wird, und in dem sich die Eliten aus Politik und Wirtschaft versammeln, treffen nach Ansicht dieser Kritiker Weichenstellungen für die Zukunft, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein.
  • Umbau des Sozialstaats: Die jüngsten Reformbemühungen der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland und die Debatte, die sich in deren Folge ergeben hat, wird von einigen Beobachtern als Praxisbeispiel neoliberaler Politik gewertet: So wird das Bildungsangebot für Arbeitslose erweitert und individuell zugeschnitten, der Bezug von Arbeitslosengeld wird aber auch an neue Bedingungen geknüpft. Auch in anderen Bereichen, wie dem Gesundheitswesen gehen die Entwicklungen in Richtung mehr Service und Kundenorientierung, gleichzeitig steigen Zugangsbeschränkung und Selbstbehalte: der Sozialstaat (keynesisanischer Prägung) wird aus neoliberaler Sicht in Richtung mehr Markt abgebaut. An die Stelle eines Sozialstaates tritt die Möglichkeit einer privaten Absicherung. Ziel hierbei ist auch eine effizientere Verwaltung der Mittel des Bürgers.
  • Kirche: Die Zunahme des Wettbewerbs solle die Bedürfnisse der Schwächsten in der Gesellschaft nicht unsichtbar machen, meinte Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: Die Befürworter neoliberaler Thesen seien leider "blind, wenn sie auf Menschen stoßen, die keine Voraussetzung haben, am Spiel des Marktes teilzunehmen" [2] (http://religion.orf.at/projekt02/
  • news/0409/ne040929_lehmann.htm). Vergl. auch Christliche Soziallehre
  • Kritik am Markt als Steuerungsinstrument: Die Keynesianischen Ökonomen (wie Stiglitz) meinen, dass der Markt ein schlechtes Instrument sei: Er muss beispielsweise durch so genannte Regulierungsbehörde, etwa am Telefoniemarkt und andere ausgleichende, administrative Maßnahmen stabilisiert werden. Weiter unterliege er Fehlentwicklungen, da natürlich nur bei entsprechender Kaufkraft die jeweilige Nachfrage bedient werden könne. Es besteht die Gefahr, dass Bedürfnisse, hinter denen keine entsprechende Kaufkraft steht, nicht abgedeckt werden und dass es bei "berechtigten Forderungen" bleibt. Die sozialen Folgeschäden sind dann allerdings wieder von der Allgemeinheit zu tragen. Beispiele für derartige Problemkreise sind in den Bereichen Bildung, Altenpflege, Familienpolitik und zunehmend auch im Gesundheitssystem zu finden.
  • Marxismus: Für marxistische Kritiker wird der Neoliberalismus nicht nur als Politik und als konkretes Unternehmerhandeln, sondern auch als Art und Weise der Konsumption bzw. der Lebensführung, wie Selbstmanagement (vgl. a. "Selbsttechnologie" (Foucault)) verstanden. Sie ist eine Antwort auf sinkende Profitraten, die durch eine bis in die 1970er Jahre steigende Produktivität nicht mehr wettgemacht werden können ("Krise der Fordismus"). Der Neoliberalismus ist aber nicht einfach eine Ideologie, sondern ein hegemoniales und plurales Projekt, dass der ständigen Reartikulierung durch Intellektuelle, Gramsci spricht hier von organischen Intellektuellen, des Kapitals bedarf, um die Akzeptanz des Kapitalismus immer wieder neu abzusichern.

 

Kritiker

Aus einer eher kulturellen Perspektive wendet sich Georges Bataille gegen das Primat des Nutzens, das Wert rein ökonomisch definiert und vermeintlich unproduktive Verausgabung jenseits der Gesetze des Marktes (z.B. Kunst, Verschwendung) immer seltener werden lässt. Auch in der weltweiten 68er-Bewegung wurde, besonders in Frankreich, die Ausweitung des Marktes auf immer mehr Lebensbereiche kritisiert. Die Punk-Bewegung knüpfte teilweise an diese Kritik an, stellte diesen Tendenzen das Konzept von Do it yourself entgegen. Die Zapatistas luden zum ersten Mal 1996 zum "intergalaktischen Treffen gegen Neoliberalismus und für Menschlichkeit". In Brasilien wurde aus Protest gegen "neoliberale" Globalisierung das Weltsozialforum gegründet. Opponenten des Neoliberalismus als wirtschaftliche Theorie sind Ökonomen wie Joseph E. Stiglitz und Amartya Sen. Auch der Börsenspekulant George Soros warnt nun, nach seinen Spekulationen, vor einem bedrohlichen Marktfundamentalismus. Pierre Bourdieu legte gemeinsam mit anderen mit "Das Elend der Welt " (1997) eine cultural study (Kulturstudie) zum Thema vor: er sieht eine allgemeine Zunahme von Angst und Unsicherheit, sowie eine gesellschaftliche Spaltung und "Prekarisierung"; ein ähnliches Projekt betrieb nachfolgend Elisabeth Katschnig-Fasch. Zu den Gegnern des Neoliberalismus zählen sich auch die Freiwirtschaftler, nach deren Meinung schon eine dauerhaft stabile Währung ohne Umlaufsicherung unmöglich sei. Naomi Klein kritisiert in ihrem Buch "No Logo" die "Machenschaften globaler Konzerne" und Folgen neoliberaler Politik ebenso wie Noam Chomsky in "Profit over people" oder Richard Sennet in "Der flexible Mensch". Kritik am Neoliberalismus fällt dabei oft zusammen mit der Kritik an der neoliberal geprägten Form von Globalisierung, die nach Ansicht der Kritiker einseitig eine Globalisierung des Marktes, nicht aber der Menschenrechte anstrebt.

 

Siehe auch

 

Literatur

 

Kritik am Neoliberalismus

 

Weblinks

Kritik am Neoliberalismus


 


 


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Liberalismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

 

Unter Liberalismus (lat. liber: frei, lat. liberalis: die Freiheit betreffend, freiheitlich) wird eine in der Aufklärung entstandene freiheitliche Gesinnung und politisch-philosophische Lehre verstanden.

Der Liberalismus steht dafür, sich von Ideologien zu emanzipieren, die Unfreiheit rechtfertigen sollten. (Beispiel: Gottesgnadentum). Im Zentrum seiner politischen Philosophie steht das Individuum, dem größtmögliche Freiheit gegeben werden soll. Sie ist nach liberaler Überzeugung die Grundnorm und Basis einer menschlichen Gesellschaft, auf die hin der Staat und seine politische wie wirtschaftliche Ordnung auszurichten sind. Wo die Freiheit des Einzelnen berührt wird hat die staatliche Gewalt zu enden, sie hat nur da einzugreifen, wenn die Freiheit eines anderen Individuums verletzt wird.

Der Liberalismus steht im Gegensatz zum Totalitarismus. Vom Anarchismus unterscheidet er sich durch die Auffassung, dass der Staat zur Sicherung der Freiheit als notwendig angesehen wird.

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Begriffe und Konzepte

Der Begriff des Liberalismus selbst ist relativ schwer zu bestimmen, ohne auf den gesamten westlichen Individualismus Bezug zu nehmen. Die Spannbreite reichen von den Sozial- bzw. Linksliberalen bis zu den Ultra-Liberalen oder Libertären, die jegliche sozialen Maßnahmen als Eingriff des Staates in die persönliche Freiheit des Einzelnen ablehnen. In den USA werden heute mit liberalism Sozialliberale gemeint, während sich die Verfechter eines auf ein absolutes Minimum reduzierten staatlichen Eingreifens seit den 1930er Jahren in Abgrenzung zu den Sozialliberalen unter dem Begriff des Libertarianism sammeln.

 

Politik

Zentrale politische Forderung des Liberalismus ist die nach Grundrechten als institutionalisierter Form der Menschenrechte. Diese sind vom Staat zu garantieren und haben Vorrang auch vor demokratisch herbeigeführten Entscheidungen. Siehe auch Rechtsstaat, Minderheitenschutz. Als Begründer des Liberalismus gilt John Locke. In seinem 1689 veröffentlichtem Werk Two Treatises of Government (deutsch: Über die Regierung) postuliert er Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche Rechte des Bürgers. Zweck des Staates sei, diese Rechte zu schützen. Der Franzose Voltaire prägte mit seinen Ausspruch "Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt." das liberale Prinzip der Toleranz. Charles de Montesquieu gilt mit seinem 1748 veröffentlichten De l'esprit des lois (dt. Vom Geist der Gesetze) als Begründer des Konzepts der Gewaltenteilung. John Stuart Mill formulierte in seiner bekanntesten Schrift On Liberty (dt: Über die Freiheit) das Limit "dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten."

 

 

Ökonomie

Ökonomisch betonen Liberale das Recht auf privates Eigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. Begründungen dafür können entweder naturrechtlichen Argumentationsmustern folgen oder primär auf die Effektivität eines auf Privateigentum basierenden Gesellschaftssystems verweisen. Naturrechtliche Begründungen dieser Art finden sich in Ansätzen bei Hugo Grotius und Samuel Pufendorf und werden von John Locke ausformuliert: Der einzelne besitze Eigentum an seinem Körper und folglich auch an der Arbeit seines Körpers. Er sei auch berechtigt, Dinge aus dem Naturzustand zu reißen, wenn er diese bearbeitet hat (beispielsweise den Boden, den jemand das erste mal bearbeitet). Ist das Ding aus dem Naturzustand gerissen, könne es dann nur noch durch Schenkung oder Tausch den Eigentümer wechseln. Zwang sei hiermit ausgeschlossen. In der Tradition dieser Begründung argumentieren beispielsweise die US-amerikanischen Gründerväter, Robert Nozick oder Ayn Rand.

Die auf Effizienz beruhende Argumentation nimmt an, dass der Markt für die optimale Allokation der Ressourcen sorge. Ein freier Wettbewerb stellt dabei das prinzipiell optimale Steuerungsinstrument der Wirtschaft dar. Sowohl staatliche Wettbewerbshemmnisse (z.B. Steuerprivilegien oder Schutzzölle) als auch Unternehmenskonzentrationen seien dabei eine Bedrohung des Wettbewerbs. Erster bekannter Vertreter des klassischen Liberalismus ist Adam Smith, berühmt wurde sein Konzept der unsichtbaren Hand: Das eigennützige Streben der Menschen trage zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei. Weiter wird die Idee des klassischen Liberalismus - explizit ohne naturrechtliche Komponente - von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten, auf ein sozialdarwinistisches Extrem von Herbert Spencer getrieben und findet sich in der neueren Theorie beispielsweise bei James M. Buchanan oder Robert Axelrod.

Zu ökonomischen Aspekten des Liberalismus siehe auch: Manchesterliberalismus, Neoklassik, Österreichische Schule, Neoliberalismus, Ordoliberalismus, Monetarismus

 

Geschichte des Liberalismus

 

Wurzeln des Liberalismus

Obwohl der Begriff des Liberalismus erst relativ spät in Spanien entstand (1812), ist seine Geschichte doch älter. Er entwickelte sich zeitgleich mit der Aufklärung als politische Gegenbewegung zum Absolutismus des 17. und 18. Jahrhunderts.

Während der Liberalismus die politische Szene in England und den USA während des 18. und 19. Jahrhunderts fast vollkommen beherrschte, hatten er in den kontinentaleuropäischen Ländern zunächst weit weniger Einfluss. Dies änderte sich mit in den verschiedenen französischen Revolutionen (besonders die Bürgerliche Revolution von 1830 und in der Folge auch in anderen Ländern (Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien, Schweiz)

 

Liberalismus in Großbritannien

Heute ist mit den Liberal Democrats eine liberale Partei (ca 18%) im Unterhaus vertreten.

 

Liberalismus in Deutschland

Erste Höhepunkte waren das Hambacher Fest 1832 und die Revolution von 1848.

In der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/1849 stellten die bürgerlich-liberalen Fraktionen Casino und Württemberger Hof (Heinrich von Gagern) die Mehrheit. Sie traten für eine konstitutionelle Monarchie, Volkssouveränität und parlamentarische Rechte ein.

Die Deutsche Fortschrittspartei, die sich 1861 gründete, war in Deutschland die erste liberale Partei im heutigen Sinne, mit Parteiprogramm und klaren politischen Zielen. Nach Bismarcks Reichsgründung kam es zu einer Spaltung des deutschen Liberalismus. Die Nachfolger der Deutschen Fortschrittspartei in der Zeit des Deutschen Kaiserreiches waren die Nationalliberale Partei (gegründet 1867), die Deutsche Volkspartei (gegründet 1867, bildete mit anderen ab 1910 die Fortschrittliche Volkspartei) sowie die Deutsche Freisinnige Partei (gegründet 1884).

Mit dem Aufkommen der Sozialdemokratie verloren Liberale ihren Einfluss als prägende politische Kraft.

Bei der Gründung der Weimarer Republik spielten die Liberalen wieder eine entscheidende Rolle. In der Anfangsphase gründeten sich zwei liberale Parteien, die DDP und die DVP. Damals standen unter anderen Persönlichkeiten wie Friedrich Naumann, Max Weber, Albert Einstein, Walther Rathenau, Gustav Stresemann, Hugo Preuß, Reinhold Maier, Theodor Heuss für den Liberalismus.

In der bundesrepublikanischen Zeit vereinten sich die Liberalen Deutschlands wieder in einer Partei: der FDP - Die Liberalen, sie war unter anderem mit Thomas Dehler, Erich Mende, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel an verschiedenen Bundesregierungen beteiligt, konnte aber nie die alte Bedeutung wieder gewinnen. Die FDP ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die für sich in Anspruch nimmt, für den ganzheitlichen Liberalismus einzutreten.

Liberales Gedankengut findet sich daneben aber auch in den anderen im Bundestag vertretenen Parteien, insbesondere bei den Grünen.

 

Liberalismus in Österreich

Auch in Österreich erlebten die Liberalen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nach 1860) einen Aufschwung und stellten eine bedeutende Fraktion im Parlament. So konnte sich langsam die Konfessionsfreiheit, Emanzipation der Juden und die Trennung von Schule und Kirche durchsetzen. Dies alles gegen die Widerstände des Kaisers und der mit ihm vebündeten konservativen Tiroler Abgegeordneten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg formierte sich zunächst mit dem Verband der Unabhängigen (VdU) eine kleine liberale Partei, die sich später in Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) umbenannte. Nachdem 1986 Jörg Haider, ein rechtspopulistischer Politiker aus Kärnten, Obmann der FPÖ geworden war, verschwanden liberale Gedanken in Österreich aus dem Blickfeld, bis mit dem Liberalen Forum sich 1993 wieder eine liberale Partei formierte, die auch für kurze Zeit den Einzug in den Nationalrat schaffte.

 

Liberalismus in der Schweiz

Nach ersten Anfängen im Kanton Aargau um 1835 (siehe Aargauer Klosterstreit) setzten sich die liberalen gegen die katholischen Kantone im Sonderbundskrieg von 1847 ganz durch, und es wurde 1848 eine liberale Verfassung verabschiedet, in der es unter anderem hieß:

Art. 4. Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen.

Die liberale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) beziehungsweise ihre Vorgänger sind seit 1848 in Bundesrat (Regierung) und Bundesversammlung (Parlament) vertreten. Daneben existiert noch die kleine Liberale Partei der Schweiz (LPS), die sich aber nie gegen die großen Parteien durchsetzen konnte.

 

Liberalismus in Italien

Auch in Italien hatte der Liberalismus im 19. Jahrhundert seine große Zeit und zwar unter König Viktor Emanuel II. und Camillo Cavour, der von 1852 bis 1861 als Ministerpräsident des Königreichs Piemont-Sardinien maßgeblich an der Einigung Italiens beteiligt war.

Sein liberaler Antiklerikalismus bestimmte auch die Verfassung des Königreichs Italien (1861 - 1946). Bis zum Eintritt des konservativen Partito Popolare (Volkspartei) von Don Luigi Sturzo in die politische Landschaft 1919 stellten verschiedene liberale Parteien die Mehrheit im Parlament der italienischen Monarchie.

In der Republik Italien wurde der politische Diskurs vom Kampf zwischen konservativen Christdemokraten (DC) und der Kommunistischen Partei Italiens bestimmt. Es existierten zwar zwei (meist an der Regierung beteiligte) Liberale Parteien (PLI und PRI), die aber nie aus dem Schatten der großen DC hervortreten konnten. Aktuell spielt der Liberalismus in Italien eine eher unbedeutende Rolle, allenfalls die Radikale Partei (http://www.radicali.it/) mit der ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino konnte gewisse Achtungserfolge erzielen, z.B. bei der Europawahl 1999. Auch Vittorio Sgarbi, vom konservativen Haus der Freiheiten hat eine Liberale Partei gegründet, die mit dem PRI zusammenarbeitet. In der Liberalen Internationale ist die Federazione dei Liberali (http://www.liberali.it) als Beobachter vertreten. Mehrere italienische Parteien des Mittelinksspektrums gehören der ELDR an und ihre Abgeordneten sind Mitglieder der ALDE.

 

Kritik

Die reine Form des wirtschaftlichen Liberalismus wird das Laissez-faire, auch Manchesterliberalismus genannt. (und von dem Ordoliberalen Alexander Rüstow geradezu als eine verkappte Theologie bezeichnet). Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise stellte John Maynard Keynes (*1883, †1946) vor allem dieses wirtschaftliche Laissez-faire infrage. Er war der Meinung, dass der Staat bei konjunkturellen Einbrüchen aktiv eingreifen muss, um fehlende private Nachfrage durch staatliche Nachfrage zu ersetzen. Allerdings besteht hierüber das Risiko einer marktschädigenden Marktverzerrung zugunsten der Unternehmen, die von der staatlichen Nachfrage profitieren und führt auch ohne Kreditfinanzierung zu zukünftigen finanziellen Steuerbelastungen kleiner Unternehmen.

Einen scharfen Feind fand der politische Liberalismus im Nationalsozialismus, ebenso heute bei den Neonazis.

 

Bedeutende Liberale

   
 

Siehe auch

 

Literatur

Klassiker

Moderne

 

Weblinks