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Datei zuletzt ergänzt am 10. August 2009.



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1) Steuersenkungen ("Tax Cuts") in den USA, seit wann?

2) Dankeschön für Parteienfinanzierung in den USA, Gefälligkeiten und Selbstgefälligkeiten in Deutschland?

3) Rentenklau
 

4) Schiefes Pisa?

5) Karstadt als Grenzanbieter?

6) Opel als Grenzanbieter?

7) "Gesundheitsfonds" zur Umverteilung nach oben
verlagert am 8.8.2006 nach http://www.rossaepfel-theorie.de/Gesundheitsreform.htm   

8) Neoliberalismus?

9) Peter Krämer

10) Klassenkampf-Zitate von Warren Buffett


11) Warren Buffett zur Tolerierung von Derivaten als "finanziellen Massenvernichtungswaffen"





1) Steuersenkungen ("Tax Cuts") in den USA, seit wann?


Unter Ronald Reagan erfolgte eine erhebliche Umverteilung des Volkseinkommens nach oben durch drastische Steuersenkungen. George W. Bush hat diese Politik  fortgesetzt  Der föderale Spitzensteuersatz (Einkommensteuer des Bundes) und die entsprechenden Steuersätze für die übrigen Besserverdiener wurden unter seiner Regierung noch weiter abgesenkt von maximal 39,8% in 2002 auf 36,1% ab 2003. Die föderalen Basis-Steuersätze für Kleinverdiener (10% und 15%) wurden dagegen nicht abgesenkt. Das hätte bei diesen niedrigen Einkommensklassen allerdings sowieso kaum etwas gebracht:

Die aktuellen Steuersenkungen in den USA sind aufgelistet in der chronologische Übersicht "Summary of Tax Law Changes", turbotax.com, ohne Datum, aber als anscheinend stets aktuelle Service-Seite, unter http://turbotax.com/articles/SummaryofTaxLawChanges.html. Sh. dazu auch die umfassenden Steuer-Tabellen von Daniel Osborne: "2003 Tax Changes", Virginia State University, Farm Business Management Update, August/September 2003, unter http://www.ext.vt.edu/news/periodicals/fmu/2003-08/taxchanges.html, mit den Senkungen der Spitzensteuersätze, der Steuern auf Zinsgewinne und auf Wertzuwachs.

Zur stufenweisen Abschaffung der Erbschaftsteuer auf Betreiben der Bush-Regierung durch die Senatsentscheidung vom Mai 2001 sh. den engagierten Artikel von Shannon Jones und Patrick Martin: "US Senate approves record tax cut for the wealthy”, wsws.org, 25.5.2001, unter http://www.wsws.org/articles/2001/may2001/tax-m25.shtml, ggf. mit automatischer Google-Übersetzung. (Vgl. dazu auch http://www.rossaepfel-theorie.de, erster Abschnitt, Fußnote 100.) Die Absenkungen erfolgten zunächst befristet bis einschließlich 2010.

Zu diesen Steuersenkungen durch George W. Bush sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry Mitte 2003: "54 Prozent der letzten Steuersenkung gehen an 1% der Amerikaner" ("54 percent of the recent tax cut goes to 1 percent of Americans"); sh.  thehillpolitics.com, 3.7.2003, unter http://www.thehillpolitics.com/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=158.

Zu den historischen US-Bundes-Einkommensteuersätzen  mit den eingangs angegebenen 39,8% und 36,1% incl. vorübergehender Zusatzsteuer vgl. die Tabelle von Paul L Caron: "Top Federal Income Tax Rates on Regular Income and Capital Gains since 1916”, unter http://www.ctj.org/pdf/regcg.pdf, erreicht über TaxProf Blog, A Member of the Law Professor Blogs Network, 17.5.2004, über http://taxprof.typepad.com/taxprof_blog/2004/05/chart_on_tax_ra.html und dort mit Klick auf den zitierten Titel. Man sieht darin, dass die oben genannten 39,8% eine Zusatzsteuer von 1,2 Prozentpunkten und daß die die 36,1% zusätzliche 1,1 Prozentpunkte enthalten.

In den US-Wirtschaftswunderjahren nach dem 2. Weltkrieg lagen die US-Spitzensteuersätze noch über 70, 80 und sogar 90 Prozent. Erst aber 1971/1972 wurde der föderale Spitzensteuersatz für Arbeitseinkommen auf 60 und dann auf 50 Prozent gesenkt. Für die übrigen Einkünfte blieb er bis zur Präsidentschaft von Ronald Reagan (1981 – 1988/89) bei 70%. Zu diesen Einkünften gehören die "Unearned Income" ("unverdiente Einkommen", also im wesentlichen Vermögenserträge). Sh. "unearned income" in dem Glossar disabilitybenefits101.com des World Institute on Disability unter http://www.disabilitybenefits101.org/glossary.htm. Sh. auch "Tax Reform Act of 1969" in: Keith M. Carlson: "Trends in the Federal Revenues: 1955-86”, mit Text der Federal Reserve Bank of St. Louis vom Mai 1981, S. 32, unter http://research.stlouisfed.org/publications/review/81/05/Trends_May1981.pdf.

Nach dem Regierungsantritt von Ronald Reagan (20.1.1981 – 20.1.1989; sh. http://de.wikipedia.org/wiki/Ronald_Reagan) erfolgte eine drastische Absenkung des föderalen Spitzensteuersatzes durch die republikanische Kahlschlags- und Umverteilungspolitiker zunächst auf 50% ab 1982 und dann weiter bis auf 28% (1988- 1990), diesmal allerdings in Reagan-typischer Weise nur für die Spitzenverdiener, während sich für die mittleren Einkommen noch ein Differenzsteuersatz von 33% ergab; sh. dazu mit Strg/f  [33] (wegen der 33%) die verschiedenen Erklärungen auf der Google-Question–and-Answers-Seite "Reagan’s tax bracket ‚bubble’" mit weiteren Quellenangaben, unter  http://answers.google.com/answers/threadview?id=51212.





2) Dankeschön für Parteienfinanzierung in den USA, Gefälligkeiten und Selbstgefälligkeiten in Deutschland?


Die früheren Steuersenkungen durch Bush werden kritisch beleuchtet von Richard A. Gephardt (House Democratic Leader): SPECIAL REPORT, Bush’s Washington: Special Interests Reign over Bipartisanship and Civility, 29.03.2001, unter http://www.truthout.org/mm_01/4.DPC.specialinterest.pdf, mit zahlreichen Pressezitaten, gefunden mit [bush "tax cuts" payback "campaign donations" Alaska], und in der ausführlicheren Version des U.S. House Democratic Policy Committee:  "The First 100 Days – Leaving no Special Interest behind", 26.04.2001, gefunden ohne [Alaska], unter http://www.truthout.org/mm_01/4.DPC.100Days.pdf – leider nicht automatisch, aber in Teilen übersetzbar durch "Textauswahl" (T-Schaltfläche im Acrobat Reader) und durch Kopieren von Teilen nach http://translate.google.com/translate_t.

Sh. ferner (gegen äußerst lohnende taz-Online-Abo-Gebühr von nur 5 € mtl.): Michael Streck: "Wahlkampfspenden zahlen sich aus, 75 der 100 US-Senatoren erhielten Zuwendungen des Energiekonzerns Enron. Sie revanchierten sich mit entsprechenden Gesetzen", 26.01.2002, (sowie etliche andere Artikel) bei www.taz.de, dort gefunden mit [Bush +wahlkampf +spenden]. Sh. auch (mit Google-Übersetzungsfunktion verfügbar): NRDC: The Bush-Cheney Energy Plan: Players Profits and Paybacks, Juni 2001, unter http://www.nrdc.org/air/energy/aplayers.asp, und - mit Liste des "Bush Energy Transition Team"- unter http://www.nrdc.org/air/energy/aplayers2.asp , gefunden mit ["bush-cheney energy plan"].
Die Übersetzung kann erfolgen unter http://www.google.de/language_tools?hl=de, indem man die Adresse (URL) dort in des Feld "Eine Webseite übersetzen" kopiert.

Zum Dankeschön-Thema in den USA ist es nicht gelungen, eine kostenlose deutschsprachige Quelle zu finden – hier mit möglichst punktgenauer Illustration des römischen Rechtsgrundsatzes "do ut des" ("ich gebe, damit du gibst"; sh. unter http://de.wikipedia.org/wiki/Do_ut_des), anwendbar auf Großspender mit Traumrenditen zu Lasten der "working poor". Der deutlichste Hinweis auf diesen Zusammenhang kam durch einen nicht mehr auffindbaren Beitrag von Clemens Verenkotte zur Gewährung von Steuergeschenken an Energieunternehmen (Bush’s Großspender) in Milliardenhöhe  und von Bohrlizenzen im Naturschutzgebiet von Alaska durch das von der Bush-Partei dominierte US-Repräsentantenhaus. Der Beitrag wurde gesendet im Deutschlandfunk am 2.8.2001 um 8.27 Uhr und bezog sich auf einen Artikel im WallStreetJournal. Schon damals war die lange Suche nach einem vergleichbaren Bericht in den deutschen Medien vergeblich.  Sie sollte vor allem als einer von etlichen Medientests dienen. Die Umverteilung an die Kumpanen erfolgt in der "Demokratie" vor allem über die Steuergesetzgebung mit begleitendem Wortgeklingel und nicht - wie früher oder wie in den Bananenrepubliken noch heute - mit Hilfe des Militärs. Auch die hohen Spenden der Anwaltslobby werden "gewürdigt", indem sie weiterhin ein Vermögen verdienen können, wenn jemand unglücklich vom Stuhl fällt und der Hersteller verklagt wird.

Ein "Dankeschön" erhält jetzt auch die US-Waffelobby: Mit ihrer Kongress-Mehrheit sorgten die Republikaner nun wieder für den freien Verkauf von automatischen Schusswaffen – gegen schwachen Widerstand der eingeschüchterten Demokraten; sh. Daniel Scheschkewitz:  "US-Politiker kuschen vor der Waffenlobby", dw-world.de, 14.9.2004, unter http://www.dw-world.de/german/0,1594,8213_A_1327788_1_A,00.html?mpb=de. Hier besteht das Geschenk nicht in der Beute bei den Armen, sondern in Menschenleben.

Auch in Deutschland ist das Dankeschön-Thema nicht unbekannt; sh. dazu das Interview des Deutschlandfunks mit dem Verfassungsrechtlers Herbert von Arnim:
 

Zum Beispiel gibt es seit zwei Jahren eine Vorschrift, dass Spenden über 50.000 Euro unverzüglich gemeldet und dann veröffentlicht werden müssen. Diese wichtige Vorschrift der Publikation von Großspenden findet aber keine Sanktion. Wenn man sie also nicht einhält, gibt es überhaupt keine Sanktionen …

Beispielsweise - ganz gravierender Punkt - überprüfen die Wirtschaftsprüfer nur die Finanzen der Bundesparteien und der Landesparteien. Unterhalb der Landesparteien, da gibt es zig-tausende von Ortsverbänden, die werden von den Wirtschaftsprüfern nur Stichproben mäßig geprüft. Da müssen nur zehn von insgesamt etwa 15.000 der Union geprüft werden, also weniger als ein Promille. Das heißt, da wo die Masse der Finanzen der Parteien stattfindet, nämlich unterhalb der Landesebene, findet überhaupt keine Prüfung statt. Das ist ein unmöglicher Zustand, dass hunderte von Millionen von Euro vergeben werden, ohne dass das selbst von den Wirtschaftsprüfern, die da die einzige Kontrolle darstellen, geprüft wird. Auch das ist eine offene Flanke, über die überhaupt nicht geredet wird …,
 

sh. Deutschlandfunk, 18.9.2004, unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/304601/. Die Umverteilung nach oben hat hierzulande aber mehr mit Gefälligkeiten gegenüber den wahlentscheidenden Meinungsmachern und mit Selbstgefälligkeit bei der Steuersenkung zu eigenen Gunsten zu tun, auch wenn das natürlich nicht als öffentliche Begründung dient.





3) Rentenklau


Trotz des jährlichen Bundeszuschusses von ca. 60 Milliarden Euro mit starker Bezuschussung der Renten in den neuen Bundesländern konnte die bisherige Zweckentfremdung der Rentenkassen nicht ausgeglichen werden. Das Ergebnis sind ihre ständig abnehmenden Mini-Renditen weit unter dem niedrigen Guthabenzinsen der Sparkassen Diese Renditen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten nicht nur einen Ertragsklau, sondern angesichts der langfristigen Preissteigerungsrate auch einen Substanzklau. Dagegen sagt Friedrich Merz:  "Wir liegen jetzt bei jährlich über 80 Milliarden Euro Zuschuss an die deutsche Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt", spiegel.de, 10.4.2004, mit der Überschrift "Ich verstehe die CSU nicht", unter http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,294583,00.html.

Tatsächlich entfallen von den geplanten "81,9 Milliarden Euro im Jahr 2003 für Gesundheit und Soziales" (sh. die Überschrift vom 6.12.2002 zum Stichwort "Rente" unter bundesregierung.de, jetzt dort nur noch im Cache, hier zur Sicherung gespeichert unter Cache_Sozialetat_2003, Stand 24.11.05) ca. 77,6 Milliarden Euro in 2003 auf den Etatposten "15 13 Sozialversicherung". Davon entfallen allein 11,9 Milliarden Euro auf Kindererziehungszeiten, 3,7 Milliarden Euro auf "Kriegsopferversorgung und -fürsorge", 2,5 Milliarden auf die "Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR" usw., also auf gesamtstaatliche Aufgaben. Schon unter der schwarz-gelben Kohl-Regierung konnte der zuständige Minister Norbert Blüm seiner Koalition stolz vermelden, dass er allein für das Jahr 1997 die Renten- und Arbeitslosenversicherung um 98 Milliarden DM geschröpft hatte (sh. hier rossaepfel-theorie.de/Kohl-Verteilung.htm).

Statt der obigen 77,6 Milliarden Euro sind 77,3 Milliarden Euro aufgeführt für "Leistungen an die Gesetzl. Rentenversicherung" in dem Kreisdiagramm "Ausgaben des Bundes", aus dem man auch sehr gut diesen Betrag als  Anteil an den gesamten "Ausgaben des Bundes" von 256,7 Milliarden Euro im Jahre 2003 ersehen kann (sh. "Die soziale Situation in Deutschland", bpb.de, Stand 11.2004).

Zum Vergleich mit den Planzahlen sh. den "Bundeshaushalt 2005 - Einzelpläne - 15 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung - 15 13 Sozialversicherung" mit den Ist-Zahlen für 2003, bundesfinanzministerium.de, Stand 24.11.05, zu erreichen über http://www.bundesfinanzministerium.de/bundeshaushalt2005. Darin findet man die geplanten Gesamtausgaben für den Haushaltstitel 15 13 Sozialversicherung"  von ca. 79 Milliarden Euro in 2004 und von knapp 81 Milliarden Euro  in 2005 unter "Abschluss des Kapitels 1513". - Zum Haushaltstitel 15 09 "Kriegsopferversorgung und -fürsorge sowie gleichartige Leistungen" findet man zum Vergleich mit den obigen 3,7 Milliarden Euro die Gesamtausgaben für 2004 in Höhe von ca. 3,4 Milliarden Euro im Haushaltsplan unter "Abschluss des Kapitels 1509".

Die gesamten Ausgaben des Bundes von 256,7 Milliarden Euro für das Jahr 2003 findet man auch wieder  im "Fachblick - Monatsbericht des BMF 2005 - November" , Seite 73,  Tabelle "3 Bundeshaushalt 2000 bis 2005 - Gesamtübersicht", zu erreichen über bundesfinanzministerium.de. Sie ist dort ebenfalls aufgeführt in der Tabelle "6 Der öffentliche Gesamthaushalt von 1999 bis 2005"  auf Seite 80 als Teil der gesamten Staatsausgaben von 618,3 Milliarden Euro (ohne Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung) im Jahre 2003. Die Ausgaben des Bundes für 2004 sind dort mit 260,5 Milliarden Euro ausgewiesen. Dazu findet man das Bruttoinlandsprodukt für 2004 in der Tabelle auf Seite 23 mit 2.119 Mrd. Euro real und 2.216 Mrd. Euro nominal, so dass sich für 2004 ohne die üblicherweise einbezogenen Rentenversicherungsleistungen (und Versichertenbeiträge) eine Staatsquote von 618,3/2.216 = 27,9 Prozent ergeben würde. In einigen Staaten (z.B. Dänemark) ist aber die Sozialversicherung teilweise bzw. weitgehend über Steuern finanziert. Die staatlich verpflichtenden Sozialversicherungsbeiträge gehen auch ohnedies in die Abgabenquote (= Fiskalquote) ein, die sich zu internationalen Vergleichen verwenden lässt.  Sie lag in Deutschland im Jahre 2004 bei dem vergleichsweise niedrigen Wert von 39,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (sh. wko.at, Stand April 2005).

Auf der Ausgabenseite werden zu den obigen 618,3 Milliarden Euro noch die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gerechnet von ... Euro im Jahre 2003 Dagegen lag die deutsche Staatsquote in 2004 nach der üblichen Berechnung  bei  47,5 Prozent
(sh. "Staatsausgaben (Gesamtstaat) in % des BIP", wko.at, 30.10.2005, sowie die Erläuterungen hier unter rossaepfel-theorie.de und die sehr hilfreiche Schichtendarstellung "Zusammensetzung der Staatsquote in Deutschland" für die Jahre 1995 bis 2002 nach der "Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsunterlage Staat, Stand Februar 2003, erreichbar über die "Vorlesungsfolien" zur Vorlesung "Steuern" von Hans-Werner Sinn unter  http://www.lrz-muenchen.de/~ces/l03_steuern_v.htm mit Sicherungskopie hier unter Zusammensetzung_Staatsquote.pdf.

Ein wesentlich größerer unbezifferter Teil entfällt jedoch auf die Hauptversorgung aus der "Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften … der ehemaligen DDR", also auf Vereinigungskosten, die man einfach nur den Arbeitnehmern mit ihren Einkommensteilen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze aufgebürdet hat.

Die Hans-Böckler-Stiftung schreibt mit Bezug auf ein DIW-Gutachten:
 

Von zehn Euro, welche die Rentenversicherung ausgibt, gehören vier eigentlich nicht zu ihren Leistungen. Der Bund zahlt zwar einen Zuschuss, aber es verbleiben immer noch 39,2 Milliarden. Den weitaus größten Teil machen Witwen- und Witwerrenten aus. Sie galten bis 1986 als versicherungseigene Leistung. Seitdem werden allerdings die Einkünfte des hinterbliebenen Ehepartners auf die Witwenrente angerechnet. Diese Rentenart sei damit "von einer Versicherungsleistung zu einer Fürsorgeleistung" geworden, die nur noch bei Bedürftigkeit gezahlt wird, sagen die Wirtschaftsforscher.

Auch die Frührenten (Altersrente vor dem 65. Lebensjahr, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten wegen Arbeitsmarktlage) gelten als versicherungsfremd – dies umso mehr, seitdem es versicherungsmathematische Abschläge für diejenigen gibt, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
 

(Sh. "Versicherungsfremde Leistungen", Böckler Impuls 6/2005.)

All diese versicherungsfremden Leistungen sollten also abgedeckt werden  durch den "Bundeszuschuss für die Rentenversicherung einschließlich der Bundesknappschaft" von 61,2 Milliarden für 2003 lt. Renten-Info der Bundesregierung vom 6.12.2002 mit der bereits teilweise zitierten Überschrift   "Rente – 81,9 Milliarden Euro im Jahr 2003 für Gesundheit und Soziales"  unter der ehemaligen Themensammlung  Themen-A-Z zum Stichwort "Rente".  Die ca. 60 Milliarden in den Gesamtaufwendungen von ca. 80 Milliarden Euro lassen sich für 2004 und 2005 ableiten aus der bereits zitierten Haushaltsposition "Abschluss des Kapitels 1513". Solche "Abschöpfungen" der Versicherten-Beiträge für fremde Zwecke können aber mit diesen Zuschüssen bei weitem nicht kompensiert werden, wie man an den Mini-Renditen erkennt.

Diese Enteignungs-Renditen belaufen sich für den Geburtenjahrgang 1930 immerhin  noch auf 3,5%,  aber für den Jahrgang 1945 nur noch auf 1,8% (nach optimistischer VdR-Schätzung – Verband Deutscher Rentenversicherungsträger) mit stark abnehmender Tendenz für spätere Jahrgängen. Im Vergleich dazu liegen die DAX-Renditen zwischen 7 und 8%  und die Renditen für festverzinsliche Wertpapiere bei immerhin noch 4,8%, alles für die Jahre 1975-1994. Sh. dazu die Untersuchung Nr. 585-00 von Alex Börsch-Supan für das IVS der Uni Mannheim: Rentabilitätsvergleiche im Umlage- und Kapitaldeckungs-Verfahren, Seite 13 f., unter  http://www.vwl.uni-mannheim.de/institut/papers/585.pdf.

Ähnliche Renditesätze finden sich auch in einer Untersuchung von Hans-Georg Petersen und Bernd Raffelhüschen: Die gesetzliche und freiwillige Altersversorgung als Element eines konsumorientierten Steuer- und Sozialsystems, S. 13, unter http://www.einfachsteuer.de/idee/download/altersvorsorge.pdf  sowie unter http://www.einfachsteuer.de/leitbilder/html/idalter.html.

Über die verfassungsrechtlichen Problematik solcher Enteignungs-Renditen wurde wohl noch nicht ausreichend nachgedacht, aber zu "Null-Renditen" schrieb der Bundesverfassungsgerichts-Präsident Papier immerhin:
 

Für heutige Beitragszahler muß die Rendite der Beitragsleistungen also zwar nicht unbedingt das bisherige Niveau halten, eine "Null-Rendite" oder gar ein Minuswert dergestalt, daß die Rentenzahlungen nicht mehr ausreichen, um das "investierte Kapital" zu verbrauchen, könnte jedoch die Frage aufwerfen, ob nicht die Grenze der verfassungsrechtlich unzulässigen, evidenten Disproportionalität von Leistung und Gegenleistung erreicht oder überschritten wird,
 

sh.: Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts: "Überholte Verfassung?", in: FAZ, 27.11.2003, Nr. 276, S. 8, unter http://www.wiwi.uni-rostock.de/~polreg/download/Verfassung.pdf.

Andererseits verweist die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf eine eigene Studie, wonach die Renditen in der gesetzlichen Rentenversicherung angeblich auch weiterhin bei mindestens 3% liegen. Man findet eine Einführung in diese Untersuchung bei bfa.de mit [rendite ohsmann stolz]. Von dort gibt es einen Link zu "Publikationen/Zeitschriften" mit dem Heft 2/2004 und dem Artikel von Sabine Ohsmann und Ulrich Stolz: Entwicklung der Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Selbst wenn man "das bisherige Niveau" der Renditen im Sinne von Hans-Jürgen Papier mit diesen drei Prozent ansetzt, so entspricht das einer realen "Null-Rendite" und Renditeenteignung, denn der Preisindex für "alle privaten Haushalte" lag z.B. im Jahre 1962 bei 33 im Vergleich zu 104,8 für das Jahr 1999. In den fünf Jahren von 1999 bis 2004 ist der neue "Verbraucherpreisindex" noch einmal von 98,6 auf 106,2 gestiegen (sh. "Verbraucherpreisindex für Deutschland - Lange Reihen - Oktober 2005", destatis.de). Das bedeutet in den 42 Beitragszahler-Jahren von 1962 bis 2004 eine Steigerung von (104,8/33) * (106,2/98,6) = 3,42 auf das 3,42fache, also eine jährliche Preissteigerung um den Faktor von durchschnittlich x in x42 = 3,42 mit log x = log 3,42/42 = 0,012715 und x = 1,0297, also um 2,97%. Insofern ergäben die 3 Prozent Scheinrendite gerade einmal eine reale Rendite von jährlich 3,0 - 2,97 = 0,03%.

Betrachtet man dagegen das "Durchschnittsentgelt" in der gesetzlichen Rentenversicherung der alten Bundesländer von 7.328 Euro im Jahre 1962 im Vergleich zu den 29.429 Euro im Jahre 2004 (sh. die Broschüre "Wie berechne ich meine Rente? - alte Bundesländer", Tabelle 5, Seite 19-20, zu erreichen über deutsche-rentenversicherung-bund.de), so ergibt sich eine Steigerung auf das 29.428/7.328 = 4,02fache, also ein durchschnittliche jährliche Steigerung mit dem Faktor x in log x = log 4,02/42 =  0,014386 und x = 1,0337, so dass bei den schöngerechneten  3,0 Prozent Nominalrendite nicht nur die reale Rendite sondern auch bereits ein Teil des eingezahlten Geldwertes enteignet wäre - zugunsten der Steuersenkung für Bestverdiener.

(Zur Systematik: Die "Rendite" bezeichnet den durchschnittlichen nominalen Ertrag der Zahlungsreihe, bezogen auf die Beitragsraten, wobei die Kapitalwertmethode (sh. banstudent.de) anzuwenden ist . Die durchschnittliche Rendite jeder einzelnen Beitragsrate von angeblich 3,0 Prozent wird um die durchschnittliche Teuerungsrate auf reale 0,03 Prozent gemindert. Sie muss ich auch auf die zukünftige Verzinsung des ratenweise ausgezahlten Kapitals beziehen, da ein Kapital zum Rentenbeginn nicht ausgewiesen wird. Wenn die Rentensteigerungen der Teuerungsrate oder dem weiteren Anstieg der Durchschnittsentgelte entsprechen, ist für die Zukunft keine weitere reale Minderung der angegebenen Nominalrendite zu berücksichtigen. Auch eine Leistungsminderung infolge zunehmender Restlebenserwartungen nach neueren Sterbetafeln ist nicht als Renditeminderung aufzufassen, wenn sie genau nach der durchschnittlichen längeren Rentenzahlung kalkuliert ist. Alle anderen Belastungen der Rentner einschließlich einer nicht kompensierten Mehrwertsteuererhöhung bedeuten jedoch eine weitere reale Kürzung der angegebenen nominalen Renditen.)

Die Abweichungen zu den anderen finanzwissenschaftlichen Untersuchungen liegen vielleicht zum Teil in einer unzulässigen Durchschnittsbildung mit den unterschiedlichen Renditen verschiedener Jahrgänge aufgrund früherer weniger restriktiver Rentenfestsetzungen oder in der Bewertung von Zusatzleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die über den reinen Altersrentenvertrag hinausgehen. Auch in der privaten Rentenversicherung mindern selbstverständlich zusätzliche Todesfall-, Berufsunfähigkeits- und sonstige Absicherungen die Rendite des Gesamtbeitrags, ganz abgesehen von Ausfall- und Ersatzzeiten. Eine kritische Betrachtung gegenüber hauseigenen, aber auch gegenüber anderen Gutachten ist geboten, ohne damit die fachliche Qualifikation der Gutachter in Frage zu stellen. Für einen Vergleich der Studien fehlt hier noch die Zeit.

Die Schönredner werden darauf hinweisen, dass in Deutschland für die Rentenversicherung kein Kapitaldeckungssystem mit verzinslicher Anlage der Rentenbeiträge, sondern ein Umlagesystem gilt, bei dem das eingezahlte Geld gleich wieder abfließt, und dass dieses System gegenüber der Kapitaldeckung vor willkürlichen staatlichen Kapitalabschöpfungen etwas besser schützt (was ja im Hinblick auf die versicherungsfremden Leistungen kaum der Fall ist). Aber dieses Ablenkungsargument darf nicht dazu führen, dass die Rentner kaum eine Rendite auf ihr jahrzehntelang eingezahltes Geld aus dem Zwangssystem haben, weil man das Ersparte nicht angelegt, sondern schon mit Beginn der Bundesrepublik die Renten der vorhergehenden Generation durch die künftigen Rentner allein hat finanzieren lassen. Die Vermeidung der Geldanlage hat dem Staat nach der Währungsreform gewiss hohe Sozialausgaben erspart, aber es kann nicht sein, dass die fast renditelosen zukünftigen Rentner und die nachfolgenden Rentnergenerationen in diesem staatlichen Zwangssystem auch noch die hinterzogenen Steuern und die Steuersenkungen für  Besserverdiener bezahlen und auch noch die Kosten des Wiederaufbaus nach dem Kriege sowie die Kosten der Einheit tragen. Für eine eigene Frühverrentung müssen sie allerdings aufkommen, aber nicht für die bisherigen Frühverrentungsaktionen als falsche Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Die möglichen Folgen des Umlagesystems bei abnehmender Kinderzahl war den CDU/FDP-Regierungen nach dem Zweiten Weltkrieg völlig klar. Die Adenauer-Regierungen (bis 1963) und die anschließenden CDU/FDP-Regierungen (bis 1969) vertrauten aber zweckoptimistisch auf die anhaltend hohen Geburtenraten von mehr als zwei Kindern pro Frau (sh. die Grafiken bei bpd.de und: "Western Europe, total fertility rate, 1960-2001" aus Husslein P Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2005; 23 (2): 4-5, gespeichert unter www.kup.at). Adenauer soll gesagt haben: "Kinder kriegen die Leute sowieso" (sh. "Rentner der Titanic", zeit.de, 47/2002). Sie konnte in der Tat nicht den Absturz der Geburtenraten von 1967 bis 1975 auf 1,5 Kinder je Frau voraussehen (ebd.) als Folge des Pillenknicks.

Bei teilweiser Kapitaldeckung hätte man auch die Bestverdiener und deren Meinungsmache mehr zur Finanzierung heranziehen müssen und dadurch Wählerstimmen verloren. So konnten die Gesetzesmacher auch ihre eigene Beteiligung niedrig halten. Dieser Zweckoptimismus wurde von nachfolgenden Politikern beibehalten in der Gewissheit für die Parlamentarier-Renten: "Unsere Renten sind sicher".
Er artete aus zum Motto "nach mir die Sintflut", als die rosa-grünliche Regierung ab 1998 mit Druck der CDU den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent senkte, obwohl die Folgen des Pillenknicks schon völlig klar waren. Man wusste, dass Politiker normalerweise später nicht zur Verantwortung gezogen und schadenersatzpflichtig gemacht werden für die Schäden, die sie angerichtet haben. Andernfalls hätte man schon damals spätestens ab den sechziger Jahren die Kosten zur Sicherung der Sozialsysteme nicht allein den Arbeitnehmern (und ihren Arbeitgebern) aufbürden dürfen. Man belastete und belastet also mit den Kosten des Sozialstaates weiterhin nur Lohn- und Gehaltsanteile im unteren Bereich bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen, allerdings viel mehr als in früheren Jahrzehnten. Den Gipfel dieser Selbstversorgermentalität erreichten die Meinungsmacher von CDU und FDP, als sie ihren Spitzensteuersatz noch weiter senken wollte auf 36 Prozent (CDU) oder 35 Prozent (FDP) bzw. 25 Prozent (CDU mit Merkels "Visionär" Kirchhof), statt endlich sich und die übrigen Best-"Verdiener" an der Reparatur des Umlagesystems zu beteiligen.

Die Renditen der Renten würden auch mit den unwahrscheinlich hoch gegriffenen drei oder vier Prozent deutlich unter den Alternativergebnissen der Privatvorsorge in den letzten Jahrzehnten liegen. Der Rentenklau ist ein schleichender Renditeklau und - preisbereinigt - auch ein Substanzklau (= Realwertklau). Er besteht vor allem darin, dass diese knappen Renditen zugunsten der Steuersenkung für Besserverdiener noch weiter gekürzt werden.

Den Substanzklau aus den eingezahlten Beiträge lassen jedoch die Politiker, Richter und beamteten Sachverständigen nicht gelten, zumal sie ihre üppigen Versorgungen bekommen, ohne selbst irgendeine Substanz eingezahlt zu haben, und sie daher gegen den Substanzklau gefeit sind. So heißt es im
Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz, BT-Drs. 15/2150 v. 9.12.03, S. 23:
 

Beispiel:
Jemand erwirbt im Jahre 2003 einen Zerobond mit 25 Jahren Laufzeit zu 2 953 Euro (aus versteuertem Einkommen).
Nach Ablauf von 25 Jahren erhält er 10 000 Euro zurück. Nach geltendem Steuerrecht sind nur 2 953 Euro steuerfrei zu belassen, steuerpflichtig ist die volle Differenz in Höhe von (10 000 – 2.953 =) 7.047 Euro.
 

Das Anwachsen des Kontos von 2.953 auf das (10.000/2.953 =) 3,386fache in 25 Jahren entspricht einer nominalen "Rendite" von 5%. Die durchschnittliche Preissteigerungsrate lag in den Jahren 1995 bis 2005 für Deutschland bei 1,43% (108,3/93,9=1,153), in den 15 Jahren davor für das frühere Bundesgebiet bei 2,77% (100/66,4=1,506, lt. destatis.de, 2.4.06). Eine "Rendite" in dieser Höhe aus der Rentenversicherung wäre damit aufgezehrt. Dagegen haben Großanleger über diesen Zeitraum sicher wesentlich Rendite erreicht als die Klein- und Normalverdiener im Zwangssystem der Beitrags-Zweckentfremdung. Die meisten Großanleger hatten auch sicher mehr als die obigen 5 Prozent, und zwar überwiegend steuerfrei, soweit sie längerfristige Anlagen mit wenig Gewinnausschüttung gewählt haben. Bei ihnen würde sich die Vervierfachung ihres irgendwie erworbenen Kapitals in etwa 25 Jahren auch nicht auf die obigen ca. 3.000 Euro beziehen, sondern vielleicht auf etliche Millionen oder Milliarden.

Die Kleinverdiener wurden nicht gerade zur privaten Vorsorge motiviert mit dem Politikerspruch: "Unsere Renten sind sicher". Man hat ihnen nicht gesagt, dass dies nur für kostenlose Politikerrenten gilt:
 

Politiker erwerben, ohne irgendwelche eigenen Beiträge zu leisten, schon nach wenigen Jahren hohe Versorgungsansprüche, die lange vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze zu laufen beginnen. Das Einkommen eines Bundesministers ist fünfmal so hoch wie das eines durchschnittlichen Arbeitnehmers, er erwirbt pro Jahr aber eine bis zu 35fache Versorgung. Deshalb kann ein Bundesminister schon nach eindreiviertel Jahren Amtszeit eine höhere Versorgung erwerben, als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer während seines ganzen Arbeitslebens. Ein Bundestagsabgeordneter bezieht ein dreifaches Arbeitnehmereinkommen, erwirbt pro Jahr aber eine bis zu elffache Versorgung …
Parlamentarische Staatssekretäre und Bundesminister, die gleichzeitig Abgeordnete sind, erhalten – neben ihren Amtsbezügen – noch einmal (umgerechnet auf Bruttobezüge) rund 100.000 Euro jährlich, obwohl sie gar nicht die Zeit haben, noch zusätzlich ein Mandat zu betreuen. [9] Dieses ungerechtfertigte Privileg genießen auch die Minister Fischer, Künast und Trittin, obwohl die Grünen stets der Meinung waren, Ministeramt und Abgeordnetenmandat seien eigentlich unvereinbar. Solche Unvereinbarkeit ist übrigens die geltende Verfassungslage in Hamburg und Bremen und auch in den meisten westlichen Demokratien,
 

zitiert aus Hans Herbert von Arnim: Die Besoldung von Politikern, Stand 26.8.2003, unter http://www.hfv-speyer.de/VONARNIM/zrp03.htm.

Zur Begründung einer Zwangslage für den weiteren Rentenklau hat man inzwischen die Reserven der Rentenkasse immer mehr abgeschmolzen und sogar noch mehr Bürokratie-Stress für die Unternehmen durch Vorverlegung des monatlichen Beitragszahlungszeitpunktes um zwei Wochen verordnet. DIE WELT kann daher als Kahlschlags-Argument melden: "Die Rentenkassen sind leer" - und weiter:
 

Wenn wir von den Annahmen der Bundesregierung ausgehen, ist dann ein vorgezogener Bundeszuschuß erforderlich", sagte Franz Ruland, Direktor des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) dem Handelsblatt. Experten schätzen, daß etwa 450 Millionen Euro aus dem im Oktober fälligen Bundesbeitrag vorgezogen werden müssen. Das hat es seit 1985 nicht mehr gegeben. Zu dem werde die Wahrscheinlichkeit "eher größer als kleiner", daß die Alterskassen zum Jahresende einen regelrechten Kredit des Bundes benötigen, sagte Ruland. Die Zahlung sei aber "auf jeden Fall gesichert"...
Bloß keine Panik lautete denn auch die Botschaft, die das Sozialministerium wenig später in die Redaktionen sandte. Die Sonderzahlung sei "nichts Ungewöhnliches". Mit der "Beschleunigung des Wachstums" werde sich die Lage alsbald normalisieren und bereits 2006 sei quasi alles wieder im Lot,
 

sh. Cornelia Weber: "Rente vor dem Kollaps?", welt.de, 27.7.05. Dazu noch das Foto eines protestierenden Mannes mit Trillerpfeife und der irreführenden Bildunterschrift: "Proteste helfen gegen die Ebbe in der Rentenkasse wenig".

Die Kahlschlags-Therapie besteht also in einem wohl dosierten Wechselbad, so dass zuerst nach oben umverteilt wird und man dann zur Beruhigung wieder den alten Spruch loslässt: "Unsere Renten sind sicher". Auf diese Weise kann man wenigstens den Anschein erwecken, dass man das Sozialstaatsgebot noch nicht ganz vergessen habe, zumindest bis zur nächsten Wahl. Danach kann man dann bei weiterer Rentenplünderung wieder auf die Alterspyramide verweisen. Die könnte sich zwar in den nächsten Jahrzehnten empfindlicher auswirken, aber nur dann, wenn die Umverteilung nach oben beibehalten wird und die Gewinne aus der ständig wachsenden Arbeitsproduktivität vor allem den Bestverdienern und Kapitalgebern zugute kommen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht gering, wenn man die Sozialkosten lediglich dem Faktor Arbeit aufbürdet, aber den Bestverdiener und großen Kapitalgeber nach quasi feudalistischer Manier immer mehr aus dem Volkseinkommen zuschanzt.

Um von der Zweckentfremdung der Rentenbeiträge für die Umverteilung nach oben und für Steuergeschenke in die eigenen Taschen abzulenken, schüren neoliberale Politiker scheinbar verständnisvoll Generationenkonflikten mit Aussagen nach folgendem Schema:
 

Ich weiß, daß wir den Menschen viel zumuten, gerade auch den Rentnern. Da rede ich nicht um den heißen Brei herum. Um die Balance der Generationen zu halten, können auch die Rentner nicht ganz ausgenommen werden. Schon heute wird ein Drittel der Rentenleistungen aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Angesichts der dramatischen Schuldenlast können wir der jüngeren Generation nicht alles allein überlassen,
 

(so Angela Merkel im "Exklusiv-Interview mit der Bundeskanzlerin", bild.de, 25.11.05).

Aktuelle Zahlen zu den Rentenleistungen findet man im "Alterssicherungsbericht 2005", der Anfang März 2006 veröffentlicht wurde (zu erreichen über bmas.bund.de). Dort heißt es auf Seite 15:
 

Die durchschnittliche Leistungshöhe der GRV beträgt in den alten Ländern 733 Euro im Monat, in den neuen Ländern 844 Euro.
 

Da aber etliche Rentner zum Glück noch etwas sparen konnten oder etwas geerbt haben, wird eilends hinzugefügt:
 

Insgesamt ergeben sich Alterssicherungsleistungen von durchschnittlich 946 Euro in den alten und 853 Euro in den neuen Ländern.
 

Dagegen muss man schon im Tabellenanhang nachschauen, um dort auf Seite 10, Tabelle A.7, die "Anzahl und Struktur der Altersversorgung ehemaliger Regierungsmitglieder (65 Jahre und älter) im Jahr 2003" zu finden. Danach erhalten die ehemaligen Regierungsmitglieder des Bundes einen "durchschnittlichen Zahlbetrag" von 5.943 Euro und die von Nordrhein-Westfalen z.B. 8.154 Euro monatlich - ohne eigene Beiträge zur Altersversorgung!

Da dieses Einkommen den neoliberalen Meinungsmachern aber immer noch nicht reicht, haben sie für sich und ihre Bestverdiener-Kundschaft noch den Spitzensteuersatz gesenkt und sich dadurch jährlich vierstellige Steuergeschenke verschafft - auf Kosten der Rentner, Normalverdiener und Einkommensschwachen (sh. hier rossaepfel-theorie.de), denn das Volkseinkommen kann nur einmal verteilt werden, und durch Konsumschwächung wird es mit Sicherheit nicht größer. Die damit verbundenen realen Einkommenskürzungen bei Rentnern und Kleinverdiener beschönigen sie allenthalben, z.B. auch durch Wählerbetrug in ihren Medien wie  in Anne Wills Talkshow vom 30.3.2008 mit dem Generationen-hetzerischen Titel "Extra-Portion für Rentner – die Jungen zahlen die Zeche" (nämlich insgesamt 1,1 + 0,54 = 1,64 Prozent Rentenerhöhung in den fünf Jahren seit 2003 bei Preiserhöhungen von mehr als 10 Prozent!). Auch Roman Herzog mit seiner lebenslangen Rente von jährlich mehr als 200.000 Euro (plus Extras) für seine fünfjährige Dienstzeit als Bundespräsident und anschließende Fortsetzung seiner neoliberalen Propaganda erweckt in BILD in bezug auf die Klein- und Normalrentner den Eindruck, dass  am Ende die "Älteren die Jüngeren ausplündern" (sh. hier rossaepfel-theorie.de).
 

Auch Peer Steinbrück hat für die Ausplünderung der Kleinrentner gesorgt als Hauptakteur der pink-grünlichen Steuersenkung für überbezahlte neoliberalen Meinungsmacher (sh. hier rossaepfel-theorie.de) und als ein Hauptverantwortlicher für die Konsumdrosselung durch Umverteilung nach oben. Davon profitiert gerade auch er weiterhin als bestbezahlter Finanzminister, der seine jährlichen fünfstelligen Steuergeschenke durch eine Mehrwertsteuererhöhung finanziert und der später auch noch als Großrentner dadurch jährlich mehr Steuern spart, als die Kleinrentner an Rente beziehen. Auch er beteiligt sich an der Generationen-Hetze, z.B. in einer Interview-Äußerung, die sofort von allen profitierenden Generationen-Hetzern in den übrigen Medien dankbar aufgenommen wurde. Zugleich macht ihnen Steinbrück Hoffnung, dass ihre Beute wieder einmal durch eine weitere Mehrwertsteuer finanziert wird, indem er diese noch einmal scheinheilig ausschließt:

 

Frankfurter Rundschau::

Das hat dann SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz mit seiner Rentengarantie besorgt.
 

Peer Steinbrück:
Ich kann es verstehen, wenn man in der Krise Sicherheitssignale an breite Bevölkerungsschichten wie die Rentner geben will. Ich habe aber große Zweifel, ob das für nachfolgende Generationen das richtige Signal ist. Der demographische Druck nimmt erkennbar zu. Der jetzigen Rentnergeneration geht es insgesamt so gut wie niemals einer zuvor. Und während andere um ihre Arbeitsplätze bangen, steigen in der Krise die Renten so stark wie seit drei, vier Jahren nicht. Die Gekniffenen sind die 25- bis 35-Jährigen, die Kinder in die Welt setzen wollen. Um diese Generation müssen wir uns stärker kümmern.

 

(Sh. "Peer Steinbrück im Interview: 'Ich schließe eine höhere Mehrwertsteuer aus'", fr-aktuell.de, 10.7.2009.)

 

Das Renten-Thema dient also weiterhin nur zur Ablenkung vom eigentlichen Problem der Umverteilung nach oben.  
 

Die Profiteure der Generationen-Hetze täuschen auch darüber hinweg, dass mit der "Rentengarantie" auch den Jüngeren eine Garantie gegeben wird, zumindest für den nominalen Erhalt der ständig gekürzten realen Renten. Auf diese Selbstverständlichkeit verwies am 14.7.2009 auch der zuständige Abteilungsleiter der Deutschen Rentenversicherung, Reinhold Thiede. Dazu heißt es bei pr-inside.de vom 14.7.2009:

 

Thiede, der Chef der Entwicklungsabteilung der Rentenversicherung ist, sagte dazu jedoch: «Die jüngere Generation ist nicht benachteiligt.» Selbst im ungünstigsten Fall - wenn unterbliebene Rentenkürzungen höhere Beiträge zur Folge hätten - hätten die Jüngeren unter der Maßnahme nicht zu leiden.

 

Statt die Beiträge zu erhöhen, könnte man sie sogar erheblich senken, wenn die Umverteilung des Volkseinkommens nach oben beendet würde.


 

Gegen die Generationen-Hetzer und Wähler-Täuscher richtet sich der bemerkenswerte Bericht von Markus Zeidler und Kim Otto im Politmagazin Monitor vom 23.7.2009 unter dem Titel: "Rentenlüge – Die Scheindebatte des Finanzministers". Darin weist Prof. Diether Döhring darauf hin, dass bei dieser Scheindebatte der Produktivitätsfortschritt vollkommen unterschlagen wird. Im Jahre 1900 habe ein Bauer acht Leute versorgen können, heute reiche seine Produktivität für achtzig Leute.

 

Vor allem aber erinnern er und Prof. Gert Bosbach in dem Bericht daran, dass viele Bestverdiener und diverse Berufsgruppen ganz oder teilweise von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung ausgenommen sind und dass in sozialen Marktwirtschaften keineswegs ein doppelter Rentenbeitrag überall auch zu einer doppelten Rentenleistung führt. Ein Beleg hierfür ist keineswegs nur das viel zitierte Beispiel der Schweiz. Der äußerst erfolgreiche Sozialstaat Dänemark schafft noch eine wesentlich bessere Lösung im Sinne des sozialen Ausgleichs mit seiner steuerfinanzierten abgestuften Rente für alle. Er schafft dadurch zusätzliche Arbeitsplätze durch stärkere Konsumnachfrage, die bei noch mehr Umverteilung nach oben verloren ginge. Damit herrscht in Dänemark praktisch Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote, die nur halb so hoch ist wie in Deutschland.

 

Für eine solche Lösung des künstlich zugespitzten Rentenproblems müsste Steinbrück aber endlich den gleichen Steuer- und Abgabensatz zahlen wie ein durchschnittlich verdienender Industriearbeiter. Das gilt auch für die übrigen neoliberalen Meinungsmacher und Generationen-Hetzer. Sie dürften sich also bei den Abgabensätzen von jeweils etwa zwanzig Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einfach ganz oder teilweise ausklinken.



Auf die Ablenkungsfunktion des Renten-Themas hat lediglich Rudolf Dreßler in der Talkshow hingewiesen, wenn auch nicht mit aller Klarheit, was den Zweck der Manipulation und Hetze betrifft.
Diesem Zweck diente – wie üblich - auch ein eingeblendeter Kurzfilm, diesmal zum angeblichen Wohlleben der Rentner, wonach 80 Prozent der Seniorenhaushalte mehr als 2550 Euro mtl. zur Verfügung hätten.  Bei einem solchen Haushaltseinkommen sind die  1,6 Prozent Rentenerhöhung in fünf Jahren nach Ansicht des ebenfalls eingeladenen buntkarierten INSM-Aktivisten Oswald Metzger entschieden zu hoch!  Aber dank der filmischen Schein-Dokumentation musste Anne Will insoweit nicht persönlich als Manipulatorin auftreten. Nach Meinung des ebenfalls eingeladenen super-smarten Privatrenten-Verkäufers Bernd W. Klöckner sollte man die staatliche Rentenversicherung mit ihren Sozialbeiträgen gleich ganz abschaffen. Damit ist er für die neoliberalen Kahlschlags-Propheten mittlerweile zu einem der beliebtesten Gäste in ihren Talkshows geworden. Der Manipulations-Trick mit den Kurzfilmen wird anscheinend zur Routine, so auch in Maybrit Illners Talkshow vom 8.5.2008 mit einem Film über Senioren auf Luxus-Kreuzfahrt - als scheinbaren Beleg für die Ausplünderung der Jungen durch die Alten. Mit dieser Generationen-Hetze lenken die neoliberalen Meinungsmacher ab von ihren Kampagnen zur Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen. Zur Wandlung von Maybrit Illner sh. auch  rossaepfel-theorie.de.  

Wer die tatsächlichen Durchschnittseinkommen der Rentnerhaushalte nicht in etwa kennt, hat kaum Grund, die 2550 Euro zu hinterfragen und die Verteilung des Volkseinkommens mit Hilfe und zugunsten der neoliberalen Meinungsmacher in dieser Hinsicht zu kritisieren. Er hat auch meist wenig Recherche-Möglichkeiten. Erst mit solchen Recherchen kommt man den Machern der Sendung auf die Schliche, dass mit diesen 2.550 Euro je Haushalt gar nicht die Rentner-Einkommen gemeint sind, sondern dass sich diese Zahl auf eine besonders ausgewählte Altersgruppe bezieht für eine Untersuchung aus dem Jahre 2003, die von Peer Steinbrücks NRW-Familienministerin Birgit Fischer (SPD) in Auftrag gegeben war. Es geht nämlich gar nicht um "die Rentner", sondern um "ältere Menschen zwischen 55 und 80" (sh. "Senioren verfügen über Einkommen von 2550 Euro", welt.de, 29.7.2003, sh. auch Michael Cirkel et. al.: "Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter", Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen 2004-02), also um eine Mischgruppe von Rentnern und vielen anderen, die gerade den Höhepunkt ihrer Gehaltsentwicklung erreicht haben.


Großrentner Roman Herzog  will sein Motto "den Gürtel enger schnallen" zwar nicht auf sich anwenden, sondern erweckt lieber den Eindruck, dass die Umverteilungsopfer sich gegenseitig "ausplündern" (sh. oben) und dass man den Gürtel der übrigen Rentner enger schnallen müsse. Damit ermutigt er nun auch die übrigen neoliberalen Meinungsmacher  zur verstärkten Generationen-Hetze in ihren Medien, um von der Umverteilung in ihre eigenen Taschen abzulenken. Ein krasses Beispiel lieferte am 22.4.2008 das ZDF mit seinem CDU-nahen Intendanten Markus Schächter und seinem Moderator Claus Kleber, das hier wegen Klebers Loblied auf Hartz-IV unter Hartz-IV.htm zitiert wird. Aber auch Tom Buhrow bejubelte in den "Tagesthemen" den vielfachen Umverteilungs-Profiteur und INSM-Aktivisten Professor Bernd Raffelhüschen (sh. "Raffelhüschen versucht erstmals, seine Interessenverflechtungen zu verteidigen", nachdenkseiten.de, 9.5.2006) als DEN Rentenexperten, um ihn dann gegen die Rentenerhöhung um 1,1 Prozent (!) zu Felde ziehen zu lassen.
 

Nach all den Auftritten des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und seines damaligen Finanzministers Peer Steinbrück (sh. hier unter anderem rossaepfel-theorie.de) wundert es nicht, dass sie sich schon gleich zu Beginn des Verrats an der Sozialdemokratie besonders engagiert haben bei der Steuersenkung für Bestverdiener. Dazu schrieb DER SPIEGEL 23/2000, S. 86, in dem Artikel "Allianz gegen Eichel":
 

Streicht man das Optionsmodell, werden Mittel frei, um den Spitzensteuersatz zu senken...  Beamte des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums haben ihrem Minister Peer Steinbrück (SPD) schon einmal ausgerechnet, was sich mit den frei werdenden Mitteln anstellen ließe. Der gesamte Tarifverlauf könne, verglichen mit dem Eichel-Entwurf, noch einmal abgesenkt werden, heißt es in einer internen Vorlage für das Vermittlungsverfahren. Die Folge: Alle Steuerzahler profitieren. Der Eingangssteuersatz bliebe danach bei 15 Prozent, der Spitzentarif würde auf 43,5 Prozent sinken.
 

Die CDU/CSU-Länder wollte allerdings auf 35% senken. Sh. "SPD-Länder: Steuerreform nachbessern", welt.de, 5.6.2000,  mit der Passage:
 

Die Union strebt einen Spitzensatz von 35 Prozent an. Auch einige SPD-regierte Länder fordern einen niedrigeren Satz. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement sprach sich für einen Satz von 43,5 Prozent aus.
 

Auch Wolfgang Clement hat sein Schäfchen im Trockenen (sh. "Clement übernimmt Aufsichtsratsposten bei RWE", Berliner Morgenpost, 13.2.06, und Ex-Minister Clement berät Citigroup, Handelsblatt, 2.3.06). Von dem Profiteur der hochgetriebenen Lobby-Strompreise RWE gab es auch Zusatzeinnahmen für Laurenz Meyer (CDU)  (sh. Laurenz Meyer > RWE-Affäre und Rücktritt). Unter den vielen anderen Nutznießern des Systems war nicht zuletzt der nordrhein-westfälische Spitzenpolitiker Jürgen Möllemann (FDP).

Für die Politikerrenten gilt jedenfalls der Parlamentarierspruch: "Unsere Renten sind sicher".

Bei den Witwenrenten der ehemaligen Regierungsmitglieder sieht es ebenfalls besser aus als bei den Durchschnittsrentnern. Auf Bundesebene gibt es durchschnittlich 3.254 Euro monatlich und in Nordrhein-Westfalen 6.586 Euro (Alterssicherungsbericht 2005, ebd.). Zu den Durchschnittsrentnern heißt es in dem Bericht auf S. 94:
 

In den alten Ländern belaufen sich die Witwerrenten demgegenüber auf 237 Euro, die Witwenrenten auf 625 Euro.
 

Die wohlklingende "bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" wurde von den neoliberalen Groß-Profiteuren auf Hartz-IV-Niveau angesetzt mit monatlich 345 Euro plus Sozialwohnung usw. (sh. intakt.info, Stand 6.2.07), so dass die älteren Rentnerhaushalte mit ihrem Gesamteinkommen einschließlich etwaigem Immobilienbesitz fast alle über diesen extrem niedrigen Armuts-Sätzen liegen und sich ein Striptease von den Sozialbehörden vorläufig noch ersparen, auch wenn sie ihr Monatseinkommen dadurch vielleicht noch um zehn oder zwanzig Euro erhöhen könnten.

Zur zunehmenden Altersarmut sagt
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes:
 

Es ist im Grunde genommen eine Binsenwahrheit, wenn wir heute eine Quote von 13 Prozent in Einkommensarmut haben, dass dies natürlich ins Alter reinwächst. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass wir auf eine Altersarmut von zehn Prozent zusteuern bis zum Jahr 2020/2030. Und das hieße nach der demografischen Entwicklung, dass dann rund zwei Millionen alte Menschen durchaus von der Altersgrundsicherung leben müssen…
Wer heute auf Grundsicherung angewiesen ist, der hat 347 Euro im Monat und die Wohnkosten, und das war es. Und 347 Euro, das werden alle wissen, das lässt keine großen Sprünge zu. Ganz im Gegenteil, man muss an allem sparen, das fängt bei der Ernährung an, und Kultur ist so gut wie gar nicht mehr drin.
 

(Sh. "Rente auf Sozialhilfeniveau", dradio.de, 1.2.2008.) Der DLF ergänzt ebenda:
 

Immerhin lockte die Grundsicherung Hunderttausende arme Rentner aus der Deckung. Sie nahmen bisher ihren Anspruch auf Sozialhilfe nicht wahr aus Scham und aus Angst, ihre Kinder könnten belangt werden. Die Sippenhaftung hat die rot-grüne Regierung mit der Grundsicherung quasi abgeschafft. Erst bei einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro werden die Kinder herangezogen. Allerdings ist der Grundsicherungsbedarf auch noch nicht sehr hoch: Laut statistischem Bundesamt erhielten Ende 2006 nur 2,3 Prozent aller Ruheständler die Grundsicherung.


Statt den Rentenkassen die geplünderten Mittel zurückzugeben, sind die "christlichen" Demokraten aber konsequent mit ihrer (zurückgestellten) Forderung nach weiteren Steuersenkungen für Bestverdiener und nach Mehrwertsteuererhöhung, denn sie folgen damit ihrem Verständnis des Bibelspruchs (sh. bibel-online.net):
 

Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
 

Auf dieser Linie liegt auch die BILD-Kampagne CONTRA gesetzliche Rentenversicherung und PRO Allianz mit ihren Privatrenten-Anzeigen. Sie entbehrt trotz aller Entlarvung nicht einer gewissen Komik. Dazu Norbert Blüm im Deutschlandfunk (sh. "Blüm gegen 'Bild'", dradio.de, 10.6.06):
 

Das war eine Kampagne der 'Bild'-Zeitung. Der Kern der Kampagne ist: Du musst die Rentenversicherung madig machen, damit das Geld in den Kassen der Privatversicherung klingelt. So einfach ist das. Nun bestreite ich ja nicht, dass die gesetzliche Rentenversicherung Probleme hat, aber keines dieser Probleme löst die Privatversicherung besser.

Der Höhepunkt der Manipulation, vielleicht müsste man sich noch kräftigere Worte aussuchen, bestand darin, dass die 'Bild'-Zeitung die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für 30 Jahre hochgerechnet hat und dann unterstellt hat, das in jeder dieser 30 Jahre die Preise um zwei Prozent jedes Jahres steigen und die Löhne im gleichen Zeitraum in den gleichen Jahren nur ein Prozent. Nun musste mathematisch nicht sehr begabt sein, um aus einer solchen Hochrechnung zu erkennen, dass der reale Wert der Rente dann rapide absinkt , das käme einem faktischen Zusammenbruch der Rentenversicherung gleich. Oh Wunder! Als die 'Bild'-Zeitung ein paar Tage später die Entwicklung der Privatversicherung dargestellt hat, war von Preisanstieg in diesen 30 Jahren nicht die Rede. Also offenbar leben gesetzliche Rente und Privatversicherung auf verschiedenen Sternen, und das halte ich für Volksverdummung. Da ist die Absicht erkennbar und dann werd ich ärgerlich.

 

Weiter heißt es in dem DLF-Bericht:

 

Die Absicht, so Blüm, liege im wirtschaftlichen Interesse der Allianz-Lebensversicherung. Mit ihr zusammen hat Bild-T-online die so genannte VolksRente initiiert und parallel zu ihrer Berichterstattung prominent im Blatt beworben. In einer internen Vertreterinformation der Versicherung hieß es schon vor der Lancierung der VolksRente, inzwischen umbenannt in Allianz Riester-Rente.
 

Kai Dieckmann hielt seine Antworten an Blüm verständlicherweise kurz (ebd.):

 

Ihr Brief zeigt in seiner wortreichen Zappeligkeit, mit seinen tausend Unterstellungen, Mutmaßungen und Pöbeleien, wie sehr sie Grund haben, die Diskussion um Ihr trostloses politisches Lebenswerk zu fürchten.
 

Abschließend heißt es in dem DLF-Beitrag:
 

Eine öffentliche Diskussion mit Blüm, wie von diesem angeregt, möchte Diekmann allerdings nicht führen. Nicht unwitzig entgegnete er dem ehemaligen Arbeitsminister schriftlich, er müsse auf Grund dessen Politik jetzt ohnehin länger arbeiten.
 

Da überfällt einen tatsächlich das Mitleid, sowohl mit Blüm wegen seiner Prognose zu seiner persönlichen Rente: "Unsere Renten sind sicher" als auch mit Dieckmann, wenn er sich mit seinem Chefredakteur-Gehalt von BILD nicht genug zurücklegen kann, um sich einen vorgezogenen Ruhestand zu finanzieren. Man muss sich wirklich fragen, ob mit Dieckmanns Allianz-Rente für ihn nicht genug Überschüsse erwirtschaftet werden, weil diese Gesellschaft so üppige Dividenden an ihre Aktionäre ausschüttet.

Auch viele andere müssten nicht bis 67 arbeiten, wenn Dieckmann und die übrigen bestbezahlten Meinungsmacher auf ihre üppigen und konjunkturschädlichen Steuergeschenke verzichten würden, die sie heftig herbeigeschrieben und -getalkt haben (sh. z.B. BILD vom 5.12.03:  "Steuern runter"Steuern runter! Senden Sie Ihren Wut-Brief per eMail – Noch heute unterschreiben! Es brennt, es drückt, es eilt!"). Diesem Manipualtionsdruck ist der Kanzler der Bosse mit seinem pinkgrünlichen Tross bereitwillig gefolgt, zumal die "christliche" Mehrheit im Bundesrat noch weiter gehen wollte (sh. rossaepfel-theorie.de).

Norbert Blüm hat sich jedoch - trotz seiner guten Rente - immerhin noch sein soziales Gewissen bewahrt. Er wurde aber zum extremen Außenseiter in seiner Partei und hat die Gunst aller neoliberalen Meinungsmacher verloren.

Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass die neoliberalen Regierungspolitiker den Rentenklau beenden. Statt das zweckentfremdete Geld zurückzuführen und durch Rückkehr zu ihren früheren Spitzensteuersätzen die Absenkung der Lohnzusatzkosten zu ermöglichen, kürzen sie gemäß so genanntem "Haushaltsbegleitgesetz" von 2006 noch drastisch die staatlichen Zuschüsse zu den geplünderten Zwangsversicherungssystemen der Renten- und Krankenversicherung (sh. "Service: Welche Änderungen das Haushaltsbegleitgesetz bringt", welt.de, 16.6.06).

Besonders hart trifft es die Geringverdiener. Dazu titelte und schrieb die Kölnische Rundschau vom 21.1.2008:
 

OECD: Deutschland droht Altersarmut
Zur Zeit sei die Lage noch solide, sagte OECD-Rentenexpertin Monika Queisser der "Frankfurter Rundschau" (Samstag). Weniger gut stehe es aber in der Zukunft um die Versorgung von Geringverdienern sowie der zunehmenden Zahl von Menschen, die nicht durchgehend Rentenbeiträge gezahlt hätten. Heute sei die Armutsquote von Ruheständlern noch vergleichsweise niedrig; dies werde sich in 30 bis 40 Jahren ändern. Für diese Gruppe fehle "in Deutschland eine automatische Altersabsicherung"...
Die OECD hatte schon Mitte 2007 vor zunehmender Altersarmut in Deutschland gewarnt. Deutschland liege bei den Renten für Geringverdiener unter den 30 OECD-Ländern an letzter Stelle, hieß es in der im Juni 2007 veröffentlichten OECD-Vergleichsstudie.
 

Ein Interview des Manager Magazins vom 15.7.2007 mit Monika Queisser ist auch gespeichert unter dem Titel "Im Alter zwangsläufig zum Sozialfall", oecd.org, 15.7.2007 (sh. auch "Renten auf einen Blick 2007 - Pressemitteilung zu Deutschland", oecd.org, 7.6.2007). Die Ergebnisse der OECD-Studie zum künftigen Rentenniveau in Deutschland und anderen OECD-Staaten ("Pensions at a Glance") sind zusammengestellt in einem kurzen Text des Deutschen Instituts für Altersvorsorge DIA mit der Überschrift "Kosten und Versorgungsniveau der Rentensysteme  internationalen Vergleich", auch zu erreichen über die Webseite dia-vorsorge.de. Die OECD-Einschätzung erscheint noch eher beschönigend, wenn sie die jetzige Lage der vielen Kleinrentner(innen) als noch "solide" bezeichnet. Auch das DIA dürfte einige Punkte Interessen-orientiert darstellen, da es "der Deutschen Bank und ihrem Einflussbereich" gehört (sh. nachdenkseiten.de, 14.7.2005). 
 

Zur Rentenkürzung durch den sogenannten "Nachhaltigkeitsfaktor" und den OECD-Folgerungen daraus für das zukünftige Rentenniveau schreibt die Hans-Böckler-Stiftung:

 

Im Zuge der Rentenreformen sei das künftige Rentenniveau von 48,7 auf 39,9 Prozent des Bruttoeinkommens gesenkt worden; der OECD-Schnitt liegt bei 58,7 Prozent. Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung dürften das Niveau der gesetzlichen Rente in Zukunft noch weiter senken, vermutet die OECD. Aufgefangen würden die Kürzungen zum Teil durch die staatlich geförderte private Vorsorge im Rahmen der Riester-Rente.

Auf der anderen Seiten erhalten in keinem anderen Industrieland Geringverdiener eine - gemessen am vorherigen Einkommen - so geringe Rente wie in Deutschland, analysiert die OECD. Der Grund: Die Rente ist linear an die Einkommen gekoppelt; auch die Rentenkürzungen wurden linear vorgenommen. In den meisten anderen OECD-Ländern hingegen sind die Einschnitte bei besser Verdienenden größer als bei Niedrigverdienern. "Dies hat zur Folge, dass für Geringverdiener der Abstand zwischen den Leistungen in Deutschland und dem OECD-Schnitt besonders groß ist", sagt Monika Queisser, Rentenexpertin bei der OECD und Co-Autorin der Studie.
 

(Sh. "Rentensysteme - OECD warnt vor Altersarmut in Deutschland", boeckler-boxen.de, Stand 27.1.2008.) Man sieht auch hier, wie der Kanzler der Bosse und sein pink-grünlichen Tross die Umverteilung nach oben für sich und die übrigen Neoliberalen besorgt haben.

Die schleichende Kürzung der Rentenanpassungen erfolgt nicht nur über den "Nachhaltigkeitsfaktor", sondern zusätzlich noch über einen "Riester-Faktor", durch den allein eine Rentenkürzung um vier Prozent in Stufen von 0,5 Prozent ab 2003 bewirkt wird (sh. bmas.de: "Riestertreppe", Stand 18.4.2008). Damit wird eine Infragestellung der weiteren Steuergeschenke für Bestverdiener vermieden, und es bezahlen auch diejenigen durch Rentenkürzungen für die Riester-Förderung, die sich gar keine Riester-Rente leisten können oder für die sich ein Riester-Vertrag kaum noch lohnt, weil sie kurz vor der Rente stehen.
 

Die deutschen Steuerquote liegt am untersten Ende der EU15-Staaten. Im Vergleich zu einem Land mit durchschnittlicher Steuerquote wie Großbritannien bedeutet das einen jährlichen Steuerverzicht von etwa 150 Milliarden Euro (sh. hier rossaepfel-theorie.de), wovon ein beträchtlicher Teil auf die niedrigen Substanzsteuern für große Vermögen entfällt. Im Vergleich zu den erfolgreichen skandinavischen Ländern mit hoher Steuerquote sind die deutschen Steuergeschenke an Großprofiteure aus dem Volkseinkommen noch wesentlich höher. Auch die Verteilung Altersversorgung in Deutschland mit ihren Zuschüssen entspricht diesem Schema zur Konsumdrosselung. Mit einer solchen Umverteilung des Volkseinkommens nach oben lassen sich natürlich keine existenzsichernden Renten für alle finanzieren. Das gilt um so mehr im Hinblick auf die Sozialkosten der deutschen Einheit, die immer noch im wesentlichen von den Klein- und Normalverdienern mit ihren Sozialbeiträgen bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen aufgebracht muss. Auch die niedrigen Substanzsteuern auf große Vermögen bedeuten im Vergleich zu anderen EU-Staaten einen Steuerverzicht von etlichen zig Milliarden.

 

Es ist also völlig unbegreiflich, wieso die neoliberalen Meinungsmacher das deutsche Rentenniveau auf 39,9 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens für einen Eckrentner mit 45 Versicherungsjahren absenken wollen, während dieses Niveau im OECD-Durchschnitt bei 73 Prozent und in den skandinavischen Ländern noch wesentlich höher liegen wird. Dies wird noch suspekter dadurch, dass diese Länder nach Darstellung der OECD ihre Rentensysteme mit einem deutlich geringeren Teil ihres Bruttoinlandsprodukts bezuschussen. In Dänemark liegt z.B. das Rentenniveau der Kleinverdiener mit 50 Prozent des Durchschnittseinkommens bei 119,6 ihres durchschnittlichen Bruttoeinkommens (Deutschland zukünftig 39,9 Prozent für alle Rentner). Der Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung in 2003 lag aber in Dänemark nur bei bei 7,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Deutschland 11,7 Prozent), obwohl die Renten dort fast ausschließlich über Steuern finanziert werden und kaum über Sozialbeiträge, die nur die Arbeitnehmereinkommen im unteren und mittleren Bereich belasten. Dazu sagte Oskar Lafontaine in einem Interview mit dem Tagesspiegel:

Dänemark zahlt jemandem, der heute 1000 Euro im Monat verdient, später eine Rente von 1200 Euro. Bei uns sind es 400 Euro. Welch ein Unterschied! Dass Deutschland die Globalisierung zum Anlass genommen hat, Sozialabbau zu betreiben, ist ein Treppenwitz. Deutschland ist als Exportweltmeister der größte Nutznießer der Globalisierung.
 

(Sh. das Interview mit Lafontaine: "Die neoliberale Macht bröckelt", Der Tagesspiegel, 19.5.2008, unter die-linke.de.)


Im Gegensatz zum sozialen Rechtsstaat Dänemark entwickeln also die Ideologen und Profiteure der Umverteilung nach oben auch hier in ihrer skrupellosen Gier zu Lasten der Ärmsten ein erhebliches Geschick, um die Wähler über die wahren Verhältnisse zu täuschen. Propagandisten für die Umverteilung nach oben wie Professor Meinhard Miegel vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn lehnen selbst die Rentenerhöhung um 1,1% ab und halten den Dumping-Löhnern vor, dass sie von ihren Hungerlöhnen keine ausreichende Vorsorge getroffen haben. Miegel lt. Deutschlandfunk vom 7.4.2008:

 

Große Teile der Bevölkerung haben keine Maßnahmen getroffen um die voraussehbare Absenkung der Rente zu kompensieren.

 

Leider kommt die einzige energische Kritik am Rentenklau von der LINKEN. Dazu zitiert das presseportal.de einen Aufruf von Oskar Lafontaine vom 15.4.2008:

 

Oskar Lafontaine: Koalition muss Rentenformel ändern
 

Berlin (ots) - "Die Rentenpolitik der Regierung Merkel ist eine Katastrophe", kommentiert Oskar Lafontaine aktuelle Medienberichte über wachsende Kaufkraftverluste und die Zunahme von Minijobs bei Rentnerinnen und Rentnern. "Obwohl die Renten seit 2004 bereits 8,5 Prozent Kaufkraft verloren haben, sollen die Rentnerinnen und Rentner auch in diesem Jahr weitere zwei Prozent Kaufkraftverlust hinnehmen." Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter:

    "Die Rentnerinnen und Rentner werden immer mehr zu Verlierern einer 'Reformpolitik', die Deutschland in die Sackgasse führt. Dies betrifft künftige Rentnerjahrgänge noch schlimmer. Während im OECD-Durchschnitt ein Arbeitnehmer, der heute 1000 Euro verdient, eine Rente von 730 Euro zu erwarten hat, sind für ihn in Deutschland ganze 400 Euro Rente vorgesehen. Damit ist millionenfache Altersarmut gesetzlich programmiert. Das ist ein Skandal und kann so nicht bleiben.

    Die Koalition muss die Rentenformel ändern. Als erster Schritt muss die Rentenerhöhung in diesem Jahr statt der geplanten 1,1 Prozent mindestens 4 Prozent betragen, um die Preissteigerungsrate zu kompensieren und den weiteren Kaufkraftverlust zu stoppen. In der Konsequenz werden dadurch auch die Hartz IV-Regelsätze so steigen, dass die Verteuerung von Lebensmitteln und Energie wenigstens ansatzweise ausgeglichen wird."

 

Allerdings wurde DIE LINKE von den Profiteuren der Umverteilung nach oben  in deren Medien dermaßen diffamiert, dass viele ihr die Solidität dieser Kritik nicht abnehmen.
 

Die Propaganda zur Ablenkung von der Selbstbereicherung auf Kosten der eingeleiteten Massenarmut wird auch in einem STERN-Interview mit Oskar Lafontaine deutlich:

 

Stern: Sie sagen, sie wollten einen Sozialstaat erreichen, der diesen Namen verdient. Was müsste dafür aus Ihrer Sicht geschehen?

Lafontaine: Das Wichtigste ist, die alte Rentenformel wieder herzustellen. Die mit uns konkurrierenden Parteien haben sie total zerstört. Wer heute einen Niedriglohn hat, das sind 25 Prozent der Arbeitnehmer, der hat im Alter etwa 400 Euro Rente zu erwarten. Das ist der größte politische Skandal. Ihn zu beseitigen, damit muss man anfangen.

 

Stern: Sie sagen immer wieder - gebetsmühlenartig - man müsste die Steuern- und Abgaben in Deutschland nur dem mittleren europäischen Niveau annähern, um 120 Milliarden Euro mehr in der Kasse zu haben. Welche Steuern wollen sie erhöhen?

Lafontaine: Wir wollen die Vermögenssteuer auf angelsächsisches Niveau anheben, was rund 50 Milliarden brächte. Und wir wollen die Gewinnbesteuerung auf den Durchschnitt der OECD-Staaten und den Spitzensteuersatz auf 50 Prozent hieven, was mit rund 60 Milliarden zu Buche schlüge. Dann haben wir das Geld fast schon zusammen. Darüber hinaus wollen wir die Börsenumsatzsteuer einführen, die es in vielen anderen Ländern gibt. Im Gegenzug wollen wir Steuersenkungen für Facharbeiter, für kleine Unternehmen. Und wir wollen steuerliche Verbesserungen für die investierenden Unternehmen, indem wir die degressive Abschreibung wieder einführen.

 

(Sh. "Interview Lafontaine: 'Ich habe keinen Butler'", stern.de, 14.8.2008.)

 

Immerhin hat aber die Unterstützung von immer mehr Wählern für die LINKEN schon dazu geführt, dass die Umverteilung nach oben auch von den übrigen Parteien zumindest symbolisch etwas eingeschränkt oder gar scheinbar ein wenig zurückgenommen wird.


Ein Beispiel für die Manipulation durch die Neoliberalen in ihrem Medien lieferte kürzlich auch der Moderator Christoph Minhoff in der Sendung "Unter den Linden" vom 29.4.2008 mit den Gästen Dietmar Bartsch (DIE LINKE) und Philipp Mißfelder (CDU) über "Rüttgers Rente...". In dieser Hinsicht steht Minhoff seinem Kollegen Hartmann von der Tann, dem zweiten Moderator der Sendung, nicht nach (sh. hier rossaepfel-theorie.de). Minhoff fragte Bartsch, eher rhetorisch, wie dieser z.B. die Vermeidung der Rentenkürzungen auf Sozialhilfeniveau finanzieren wolle, und Bartsch antwortete (mit etwas anderen Worten), dass man  in Deutschland nicht nur diesen Rentenklau bequem vermeiden könnte, wenn man hier die Steuer- und Abgabenquoten anderer, erfolgreicherer Staaten hätte. Es gäbe dann auch  keinen Grund für die gesamte Ausplünderung der  Einkommensschwachen und der Mittelschicht zugunsten der neoliberalen Meinungsmacher und sonstigen Abkassierer. Daraufhin unterbrach ihn Minhoff  mit dem Protest: "Steuererhöhungen einmal, Steuererhöhungen zweimal…" Er wollte von Bartsch noch wissen, ab welchem Einkommen man zu jenen gehöre, die dann zur Finanzierung des Sozialstaates stärker herangezogen werden, wohl ahnend, dass es vor allem ihn betreffen würde wie auch die ihm gewogenen Proporz-Intendanten und die anderen tonangebenden Propagandisten für die Umverteilung nach oben. Im weiteren Verlauf der Sendung sprach Minhoff von "Enteignung", als Bartsch einen einheitlichen (niedrigen) Beitragssatz zur Rentenversicherung für alle Einkommen forderte - nach dem Schweizer Modell, also ohne Beitragsbemessungsgrenze und bei gleichzeitiger Deckelung der Renten, so dass der Einkommensmillionär nicht auch eine Millionen-Rente bezieht. Dieses Schweizer Verfahren ist im Grunde nur eine Variante der Steuerfinanzierung von Sozialsystemen, wie sie in skandinavischen Ländern mit großem Erfolg praktiziert und hier immer wieder als Modellfall herangezogen wird, auch zur Senkung der ausschließlichen hohen Lohnbelastung mit Sozialabgaben (sh. hier rossaepfel-theorie.de).

 

 

1. Mai 2009 nachgetragen bei rossaepfel-exkurse.de

Scheinheiligkeiten zum Rentenklau:  "Äquivalenzprinzip" und Generationen-Hetze

 

 

Der Rentenklau ist hier bereits ausführlich beschrieben worden (sh. rossaepfel-exkurse.de). Im Folgenden geht es nur um weitere Beispiele zur besonders geschickten und routinierten Fortsetzung dieser Irreführungen im Wahljahr 2009, so z.B. in dem DLF-Interview vom 29.4.2009 mit dem neuen "Wirtschaftsweisen" und Vorsitzenden des Sachverständigenrates Professor Wolfgang Franz, von dem hier auch schon an anderer Stelle die Rede war (sh. rossaepfel-theorie.de und das Interview "Man kann Rentenpolitik nicht nach Umfragewerten betreiben"):

 

Spengler: Kurzarbeit senkt die Einkommen, von den Einkommen hängen die Rentenhöhen ab. Ist das in Ordnung, wenn nun die Regierung verspricht, Rentenkürzungen wird es nicht geben?

 

Wolfgang Franz: … wenn wir die Rentenversicherungsbeiträge nicht sehr stark erhöhen wollen, was dann wieder Arbeitsplätze kostet, bleiben uns eigentlich nur zwei Wege, nämlich einmal bei den Rentensteigerungen etwas zurückzuhalten - da hat die Vorgängerregierung ja eine ganze Reihe von Maßnahmen gemacht - und dass wir länger arbeiten.

 

Gegen die bereits erfolgte und andauernde Enteignung der Rentner, z.B. durch Finanzierung der deutschen Einheit zu Lasten der Rentenkassen und durch die daraus folgende reale Rentenkürzung auf Minus-Renditen, dürfte eine Verfassungsklage helfen (sh. die Klarstellung durch den Verfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier zur Eigentums-Garantie hier unter rossaepfel-exkurse.de). Das gilt um so mehr, als diese Enteignung durch den  "Nachhaltigkeits"-Faktor und gar noch den "Riesterfaktor" ständig verschärft wird. Wenn man die kargen renditelosen Zwangs-Ersparnisse der kleinen und mittleren Rentner auch noch zweckentfremdet, um die Umverteilungsprofiteure zu entlasten, dann ist nicht nur der soziale Rechtsstaat, sondern der Rechtsstaat überhaupt dieser Gier geopfert. Bezeichnend ist, dass die Profiteure der Umverteilung nach oben mit ihren Angriffen auf den sozialen Rechtsstaats überhaupt immer wieder auf gleichgesinnte Richter, auf die Prozess-Scheu ihrer Opfer und auf ihren ihren Profit durch die lange Prozesssdauer zählen.

Aber Wolfgang Franz unterstellt, dass die gesetzliche Rentenversicherung für die kleinen und mittleren Einkommen der Zwangsmitglieder nur über die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge zu finanzieren sei. Er blendet also ganz geschickt eine Steuerfinanzierung aus, z.B. nach dem erfolgreichen dänischen Vorbild, praktisch ohne Sozialabgaben, aber dafür mit einem Spitzensteuersatz von 59 Prozent und der halben Arbeitslosenquote wie in Deutschland (sh. wko.at und hier ausführlich unter rossaepfel-theorie.de). Diesem Modell könnte man sich auch annähern durch Rückkehr zum Spitzensteuersatz der Wirtschaftswunderjahre für die bestbezahlten oder überbezahlten neoliberalen Meinungsmacher wie Franz und die Söldner des Medienkapitals. Damals wurden wegen der erheblich niedrigeren Rentenbeiträge und durch den fortdauernden Verzicht auf eine angemessene Steuerfinanzierung keine Reserven gebildet. Aber jetzt sollen die gegenwärtigen und künftigen Rentner allein für diese Wählertäuschung aufkommen.

 

In der Tat kann man die Rentenpolitik nicht nach den Umfragewerten bei den Profiteuren der Umverteilung nach oben betreiben. Die "Kassenlage" lässt sich durch deren Beteiligung problemlos auf einen Stand bringen, der in der reichen Bundesrepublik auch den Umverteilungsopfern eine menschenwürdige Existenz sichert.

 

Zu den Umverteilungs-Profiteuren gehört vor allem auch die Kundschaft der FDP-Lobbyisten. Deren Abgeordneter Gustav Leonhard Kolb präsentiert den unbestrittenen Zusammenhang zwischen Beiträgen und Renten ebenfalls so, als ob eine angemessene Steuerfinanzierung über seinen Spitzensteuersatz nicht möglich wäre (sh: "FDP wirft Scholz Verlogenheit vor", dradio.de, 29.4.2009).

 

Ich glaube, man muss den Menschen deutlich machen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Beiträgen, die von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erwirtschaftet werden, und den Renten. Dieser Zusammenhang ist unauflösbar.

 

Solche neoliberalen Propagandisten sind jedoch trotz ihrer Verlogenheit in diesem Fall tatsächlich glaubwürdiger als "christliche" und "sozialdemokratische" Heuchler, weil sie schon immer die Umverteilung nach oben durch "Steuersenkungen" für ihre Kundschaft gefordert haben. Damit gewinnen sie auch immer mehr Stimmen von Wählern, für die christliche und soziale Argumente ohnehin nicht zählen. Um diesen asozialen Eindruck zurückzuweisen, wird regelmäßig die Zustimmung zu einer Scheinanpassung der Renten nachgeschoben und so getan, als ob man die Lohnnebenkosten nicht über einen höheren Beitrag der Umverteilungs-Profiteure mitfinanzieren könnte. Kolb:

 

Niemand will den Rentnern auf Dauer Anpassungen versagen - darum geht es doch gar nicht -, sondern wir müssen alle daran arbeiten, dass in dieser Krise möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben,

 

Die Lobbyisten der Umverteilung nach oben verteidigen zwar die Abzockerei aus dem Volkseinkommen, wenden sich aber gegen die Beteiligung dieser Beute an den Kosten des Sozialstaates, auch über eine Rentenversicherung nach schweizerischem oder skandinavischem Vorbild. Kolb:

 

Sehen Sie, diese Erwerbstätigenversicherung funktioniert insbesondere bei der Rente nicht, weil wir in der gesetzlichen Rentenversicherung ein striktes Äquivalenzprinzip haben. Das heißt, die Leistungen, die später ausgekehrt werden, die Rente, die gezahlt wird, steht in einem direkten Zusammenhang mit den Beiträgen, die vorher geleistet werden.

 

Offenbar hat Kolb nichts dagegen, wenn die gesetzliche Rentenversicherung zugunsten seiner Kundschaft immer mehr auf Sozialhilfeniveau gedrückt wird, wie das heute schon bei der Grundsicherung im Alter auf Hartz-IV-Niveau der Fall ist.

 

Ich glaube, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch in Zukunft eine ganz, ganz wichtige Rolle spielen wird, aber sie ist eben nur eine von mehreren Säulen. Sie wird eine Existenzsicherung noch geben…

Die gesetzliche Rente wird eine Rolle spielen, aber es müssen weitere Säulen dazukommen: die private, die betriebliche Altersvorsorge.

 

Da seine Kundschaft in der Industrie ihren Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge für die Normal- und Geringverdiener bereits auf ein Minimum gesenkt hat, werden diese letztlich auf eine ausreichende Eigenvorsorge verwiesen. Aber dazu sind die meisten gar nicht in der Lage, weil sie durch Lohndrückerei und staatliche Ausplünderung über indirekte Steuern und überhöhte Sozialabgaben schon am Ende ihrer Möglichkeiten sind. Dies ist den FDP-Propagandisten sehr wohl bekannt, und damit geht ihre Verlogenheit weit über die Wählertäuschung durch die Schein-Sozialdemokraten hinaus.

 

Der INSM-Aktivist Professor Bernd Raffelhüschen, ein früher gern gesehener Gast in der neoliberalen Propaganda-Schau von Sabine Christiansens, formuliert die ausschließliche Abhängigkeit der Rentenleistungen von den Rentenbeiträgen der Normalverdiener und Dumpingopfer so eng, dass einem die Beteiligung der Abzocker an den Kosten des Sozialstaates gar nicht erst in den Sinn kommen soll. Er setzt aber noch eins drauf, indem ein Nachdenken darüber sofort zur üblichen Generationen-Hetze der Neoliberalen führen soll. Damit verkleistert er in musterhafter Weise, dass es sich nicht um einen Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern zwischen den Umverteilungsopfern und den Abzockern des Volkseinkommens handelt. Raffelhüschen:

 

Wenn die Lohnsumme sinkt, dann müssen natürlich auch die Renten sinken. Die Erwerbstätigen finanzieren nun mal die Rentner. Und wenn die Erwerbstätigen Minus-Runden machen, warum soll es dann für die Rentner Null- oder gar Plusrunden geben? Das Vorhaben der Regierung ist widersinnig und unfair gegenüber der jüngeren Generation. Denn die Jungen müssen die Renten schließlich bezahlen. Es geht um eine Gleichbehandlung. Die Rentner bekommen ein Plus, wenn auch die Erwerbstätigen ein Plus bekommen. Und sie bekommen ein Minus, wenn die Erwerbstätigen ein Minus bekommen. Das ist gerecht.

 

(Sh. "Unfair gegenüber der jüngeren Generation", berlinonline.de, 29.4.2009.)

 

Ein Hauptproblem ist, dass die Auswahl der nachrückenden Ökonomie-Professoren in Deutschland naturgemäß durch die Mehrzahl der neoliberalen Wudu-Ökonomen und Profitwahrer erfolgt (sh. hier auch Oekonomen-Umfrage.htm und - zum Vergleich dieser Provinz-Ökonomie mit den zahlreichen hervorragenden US-Ökonomen - hier rossaepfel-theorie.de, z.B. mit dem Suchwort "Stiglitz"). Dazu schreibt Wolfgang Lieb in den NachDenkSeiten vom 28.4.2009:

 

Ausgehend von einem Streit um die Ausschreibung von sechs vakanten VWL-Lehrstühlen an der Hochburg der ordoliberalen Wirtschaftspolitik, der Universität Köln, gab es einen Sturm einiger Emeriti, die das Erbe des eigentlichen Begründers der "sozialen Marktwirtschaft", Alfred Müller-Armack, bewahren wollen. Die neoklassischen Siegelwahrer Willeke, Willgerodt und Wartrin wehrten sich dagegen, dass sechs Lehrstühle im Paket ausgeschrieben wurden, um junge, an der internationalen Forschungsfront ausgewiesene Wirtschaftswissenschaftler für einen Forschungsschwerpunkt zur Makroökonomie zu gewinnen. Dem Protest schlossen sich nun laut FAZ vom 27. April 2009 83 Professoren für Volkswirtschaftslehre mit einem Aufruf "Rettet die Wirtschaftspolitik an den Universitäten!"…. Unter den Unterzeichnern finden sich den NachDenkSeiten-Leserinnen und –Lesern so bekannte Namen wie Peter Oberender, Bernd Raffelhüschen, Joachim Starbatty, Ulrich van Suntum oder Roland Vaubel.

 

Mit den Suchwort "Raffelhüschen" findet man auf den nachdenkseiten.de zahlreiche Einträge.

 

Obwohl  das Geld des Staates für seine wichtigsten Aufgaben schon zur Umverteilung nach oben verschwendet wurde, sind deren Profiteure weiterhin unersättlich. Ohne die asoziale Ausplünderung der Umverteilungs-Opfer ließen sich auch die immer weiteren Senkungen des Spitzensteuersatzes nach dem FDP-Mantra nicht erreichen. Eine Begründung dafür lässt sich immer finden: im Aufschwung wegen der zunehmenden Steuereinnahmen und im Abschwung wegen der angeblichen Anreizwirkung zur Wirtschaftsbelebung durch Entlastung der FDP-Kundschaft (ebenfalls zur Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben). Aber auch der CDU-Wirtschaftsflügel will natürlich selbst in der größten Finanzkrise des Staates nicht auf weitere Steuergeschenke verzichten. Insbesondere eine Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist gleichbedeutend mit einer drastischen weiteren Senkung des Spitzensteuersatzes, während sie für die Einkommensschwachen mit der höchsten Konsumquote praktisch gar nichts bringt.  Noch weniger bringt ihnen die Abschaffung der Erbschaftsteuer für Erbschaften über dem ohnehin geltenden Familienfreibetrag von mindestens einer halben Millionen Euro. Dazu heißt es im SPIEGEL ONLINE unter der Überschrift "ZERSTRITTENE UNION - CDU-Wirtschaftsflügel provoziert Merkel mit eigenem Wahlprogramm" am 28.4.2009.

 

Nach Informationen der "FTD" verlangt der Wirtschaftsrat in einem 24-seitigen Papier unter anderem die Abschaffung von Erbschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Damit geht es weit über die offiziellen Positionen der Parteispitze hinaus...

Wirtschaftsratspräsident Kurt Lauk legt in dem Programm laut dem Bericht auch Wahlkampfforderungen zu den Themen Finanzen, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Energie, Verkehr und Europa vor. Der CDU-Flügel setze auf eine Privatisierung staatlicher Leistungen sowie Subventionsabbau und eine ehrgeizigere Sanierung der öffentlichen Haushalte. "Wir fordern den Einstieg in die Altschuldentilgung", heißt es laut "FTD" in dem Papier. Der umstrittene Gesundheitsfonds solle so umgebaut werden, dass die Krankenkassenbeiträge nicht mehr als Lohnnebenkosten von den Arbeitgebern mitgetragen werden müssen. 

 

Es geht keineswegs nur um den Wirtschaftsflügel, denn die gesamte Partei will den Spitzensteuersatz drastisch senken, sei es auf 36 Prozent oder gar auf 25 Prozent (sh. hier rossaepfel-theorie.de), finanziert über noch weitere Mehrwertsteuererhöhungen und sonstige indirekte Abgaben zu Lasten der Ärmsten. Im neuen CDU-"Grundsatzprogramm" vom Dezember 2007 wird die Radikalität dieser drastischen Umverteilung nach oben aber vorsichtshalber hinter vagen Formulierungen versteckt.
 

Wenn im gleichen Atemzug mehr Geld für Bildung usw. gefordert wird, setzt das der Volksverdummung die Krone auf. Dass diese Partei trotzdem von vielen Umverteilungsopfern gewählt wird, liegt vor allem an deren Irreführung durch die neoliberalen Meinungsmacher und die Söldner des Medienkapitals, aber auch an dem Lügenprädikat des "Christlichen", wie man an den konfessionellen Schwerpunkten der CDU-Wähler in Süddeutschland und im Rheinland sehen kann (vgl. hier rossaepfel-theorie.de). Dies erinnert an alte Zeiten, als man den Gläubigen ihre maßlose Ausbeutung durch die parasitäre Komplizenschaft von Kirche und Feudalstaat noch als den Willen Gottes verkaufen konnte.

 

Die Regionen mit "christlicher" Partei-Dominanz in Deutschland sind beim Wahlergebnis vergleichbar mit dem Bibel-Gürtel in den USA. Ihm verdanken die Neokonservativen der "Grand Old Party" (= US-Republikaner) mit ihren beschämenden Präsidenten Ronald Reagan, Richard Nixon und George W. Bush ihre Wahlerfolge. (Zum absoluten Tiefpunkt unter Ronald Reagan siehe hier rossaepfel-theorie.de.) Der "Neokonservatismus" entspricht dem Neoliberalismus (sh. hier rossaepfel-exkurse.de) mit derselben Gier der Betreiber zur Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen, aber mit einem besonders hohen Maß an religiöser Heuchelei und altväterlichem nationalistischen Pathos. Das Pathos war für die Herrscher und Schreibtischtäter in Europa bei ihren Angriffskriegen vor allem erforderlich, um junge Männer für ihre Rolle als Kanonenfutter zu begeistern. - Zur Ehrenrettung der USA gibt es mit Barak Obama jetzt wieder einen glaubwürdigen demokratischen US-Präsidenten. Die Glaubwürdigkeit wird auch bestätigt durch die Angriffe neoliberaler US-Meinungsmacher wie Russ Limbaugh, der ihm vor seinem Millionenpublikum das Scheitern wünscht ( "I hope he fails"). Ein Ende des Neokonservativismus kann also an der Stärke der republikanischen Minderheit scheitern. In Deutschland ist ein Ende des Neoliberalismus noch gar nicht in Sicht.


 

7.5.2009 eingefügt bei Rentenklau:

Neoliberale wollen "den Menschen" helfen
 

 

Vor den Wahlen in 2009 propagieren die Neoliberalen allenthalten mit zunehmender Verlogenheit ihren angeblichen Willen, dass "die Menschen" zukünftig "mehr Geld im Portemonnaie" haben.

 

Zur Vermeidung von übermäßigen realen Rentenkürzungen haben sie sogar ihren unsäglichen Riester-Faktor ausgesetzt, wollen die ausgelassenen Kürzungen aber bei späteren Rentenanpassungen nachholen - zusammen mit weiteren Rentenkürzungen. Zugleich wollen sie weitere Steuersenkungen für sich finanzieren durch zusätzliche Kürzungen bei den Ärmsten mit der höchsten Konsumquote, z.B. durch weitere Mehrwertsteuererhöhungen (sh. z.B. das neue Grundsatzprogramm der CDU).
 

Es geht ihnen also gar nicht um "die Menschen", sondern nur um sich selbst und die übrigen Profiteure der Umverteilung nach oben.

 


 

7.5./23.6.2009 eingefügt bei Rentenklau:

"Die Renten folgen den Löhnen nach oben", aber warum nicht auch nach unten?

 
 

Diese irreführende rhetorische Frage richtete Tom Buhrow am 6.5.2009 ab 23 Uhr in den Tagesthemen gegen das neue Gesetz zur Verhinderung von Rentenkürzungen beim Sinken des Durchschnittslohns. Dabei weiß er ganz genau, dass die Renten den Löhnen nicht im gleichen Abstand folgen, sondern ständig weiter zurückfallen durch Riester-Faktor und "Nachhaltigkeits"-Faktor. Mit der Wählertäuschung durch solchen Halbwahrheiten wird das Fernsehpublikum mobilisiert zur Steuersenkung für Bestverdiener und damit zur Umverteilung nach oben auf Kosten der Ärmsten. Mit derartiger neoliberaler Propaganda in der ARD macht sich auch Tom Buhrow beliebt bei seinen potenziellen Privat-Finanziers, die ihm pro Feierabend-Auftritt 20.000 Euro bezahlen. (Sh. dazu "Zapp plus: Nebenverdienste - Wie Fernsehmoderatoren ihre Prominenz vermarkten", www3.ndr.de, 17.6.2009.)
 

 

Ähnliches gelang der Redaktion von Anne Will einmal wieder am 3.5.2009 nach der 14. Sendeminute in ihrer Proporz-Talkshow mit dem üblichen Trick eines eigens zurechtgeschusterten Manipulations-Kurzfilms (sh. "Rentenkürzungen ausgeschlossen - teures Wahlversprechen in der Krise?", daserste.ndr.de, 3.5.2009). Darin wollten die verantwortlichen Meinungsmacher offenbar darüber hinwegtäuschen, dass die durchschnittliche Rentenhöhe in der Nähe des Hartz-IV-Niveau liegt (sh. boeckler.de, rechtes Karte, Stand 7.5.2009). Gezeigt wurde ein ehemaliger Daimler-Arbeiter beim Waschen seines Luxus-Mercedes. Der Mann freute sich in die Kamera mit einem Jubel-Ausruf über seine anstehende monatliche Rentenerhöhung von 30 Euro. Zynische Botschaft: Den Rentnern geht es blendend, und es spricht daher nichts gegen Rentenkürzungen!

 


Nach Jahren der realen Rentenkürzungen haben die schwarz-rötlichen Manipulations-Strategen tatsächlich den unsäglichen Riester-Faktor im 2008 für zwei Jahre ausgesetzt - mit einer gewissen Schamfrist vor den Wahlen in 2009, damit der Trick nicht so auffällt. Man wollte eben "nicht zu viele Stimmen an die Linke verlieren" (sh. Gert Flegelskamp: "Rentenerhöhung 2009", Stand 12.5.2009). Die ausgesetzten Riester-Kürzungen sollen aber später mit um so größerer Schlagkraft nachgeholt werden - zusammen mit den weiteren geplanten Rentenkürzungen. Zumindest kommt man jetzt nach vielen Jahren der realen Rentenkürzungen (sh. Gert Flegelskamp: a.a.O.) immerhin auf eine Erhöhung der West-Renten zum 1.7.2009 um 2,4 Prozent statt der 1,8 Prozent, die man dieses Mal bei der sonst üblichen Riester-Kürzung zugeteilt hätte. Damit wird zumindest ein einziges Mal die Inflationsrate fast ausgeglichen, die die Rentner in einem Vorjahre zu verkraften hatten.

 

Diese scheinbare Rentenerhöhung ist aber auch darauf zurückzuführen, dass den Normalverdienern im Vorjahr nach langen Jahren der realen Lohnkürzungen endlich einmal wieder ein gewisser Inflationsausgleich gewährt wurde und dass dies sich nun im Folgejahr zugunsten der regierungsamtlichen Renten-Propaganda auswirkt. Man will also die kurzfristige Abmilderung des Rentenklaus als "Wahlgeschenk" erscheinen lassen. Dazu schreibt die Financial Times Deutschland vom 28.4.2009 unter der Überschrift "Koalition macht Rentnern Wahlgeschenk":

 

Im Vorjahr hatte es wegen der starken Konjunktur hohe Tarifabschlüsse gegeben. In der Folge werden zum 1. Juli 2009 die Altersbezüge im Westen um 2,4 Prozent angehoben, im Osten um 3,38 Prozent. Zu dieser stärksten Rentenerhöhung seit 1997 kommt es aber auch, weil die Koalition erst kurz zuvor die Rentenanpassungsformel geändert hatte. Sozialverbände und Pensionäre hatten 2008 eine errechnete Erhöhung von 1,1 Prozent als zu gering kritisiert und auf hohe Lohnabschlüsse sowie die Inflation verwiesen. Die Regierung setzte daraufhin für das Wahljahr 2009 sowie für 2010 den "Riesterfaktor" aus, der die private Altersvorsorge fördern soll. Mit ihm fiele die Erhöhung um 0,6 Prozentpunkte niedriger aus.

 

Warum die realen Rentenkürzungen auch diesmal weit über die Differenz zwischen nominalen Rentenkürzungen und viel zu niedrig berechneter Inflationsrate hinausgehen, kann man sehr gut nachlesen auf der bereits zitierten Webseite von Gert Flegelskamp (a.a.O.).

Auch die Chefredakteure und Eigentümer vom Axel-Springer-Verlag sehen jetzt die Chance, ihren Spitzensteuersatz auf Kosten der Kleinstrentner noch weiter zu senken nach dem Motto "(Verdummungs-)Leistung muss sich wieder lohnen".  In der Druckausgabe ihres CDU-Kampfblattes BILD tönen sie am 11.6.2009 ganz oben auf der Titelseite mit Riesen-Buchstaben: "0% Inflation – Rentner sind die größten Gewinner" (sh. anliegendes Foto).


Die Rente des naiven Alibi-Rentner von Anne Will entspricht ohnehin nicht der Durchschnittsrente, sondern in etwa einer Eckrente. Beim durchschnittlich verdienenden Eckrentner in Westdeutschland mit jährlich 30.000 Euro brutto und den selten erreichten 45 Versicherungsjahren rechnet man auch heute noch mit monatlich knapp 1.200 Euro Rente. Die 30 Euro monatlich entsprechen also 2,4 Prozent von 1.250 Euro. Die Durchschnittrenten sind nur etwa halb so hoch. Aber mit dem heutigen Trend zur Lohndrückerei auf die Hälfte des Durchschnittsverdienstes werden viele Rentner auch bei 45 Arbeitsjahren auf Sozialhilfe angewiesen sein. In dem heutigen niedrigen Renten-Durchschnitt sind allerdings auch Minirenten enthalten, insbesondere von Frauen mit kurzen Erwerbsbiographien.

 

Im Jahr 2008 wurde schon einmal darauf verwiesen, dass die  Neurentner des Jahres 2007 tatsächlich einen Rentenzuwachs von 30 Euro monatlich im Vergleich zu den Neurentnern des Jahres 2006 hatten. Dies war aber ebenfalls irrführend, da die nominale Rentenerhöhung in 2007 nur 0,54 Prozent und in 2008 (nach Aussetzung des Riester-Faktors) nur 1,1 Prozent betrug. Die 30 Euro beruhten lediglich auf einer Einschränkung der Frühverrentung, also darauf, dass die Renten-Neuzugänge des Jahres 2008 im Durchschnitt ein Jahr länger gearbeitet hatten als in 2007 (Sh. "Durchschnittsrente steigt auf 671 Euro", tagesspiegel.de, 9.7.2008.)

 

Solche Wählertäuschung erinnert an die Rede des Großrentners und Ex-Bundespräsidenten Roman Herzog (CDU) von der "Rentner-Demokratie", die verhindert, dass man noch mehr Renten auf Sozialhilfeniveau drücken kann. Für die Neoliberalen würde nichts dagegen sprechen, denn Herzog meint: "Wir müssen den Gürtel enger schnallen". Dies sagte Herzog jedenfalls einmal von der versammelten "Prominenz" im Luxus-Hotel Adlon. Er meinte damit sicher nicht die Gürtel der Anwesenden. Auch meinte er kaum sich selbst und seinen jährlichen "Ehrensold" von 200.000 Euro plus viele Extras für sein eifriges Wirken zur Umverteilung nach oben.

 

 

Nachtrag vom 1.7.2013 zum Rentenklau:

 

Rentenklau in Ost und West 
mit leichter Angleichung in Ost
Jahr Renten-Plus Rente-Plus Preise-Plus Summen- Summen- Summen-
  Ost % West % Ost/West % Faktor Ost Faktor West Faktor Preis
2000 0,60 0,60 1,40 1,01 1,01 1,01
2001 2,11 1,91 1,90 1,03 1,03 1,03
2002 2,89 2,16 1,50 1,06 1,05 1,05
2003 1,19 1,04 1,00 1,07 1,06 1,06
2004 0,00 0,00 1,70 1,07 1,06 1,08
2005 0,00 0,00 1,50 1,07 1,06 1,09
2006 0,00 0,00 1,60 1,07 1,06 1,11
2007 0,54 0,54 2,30 1,08 1,06 1,14
2008 1,10 1,10 2,60 1,09 1,08 1,17
2009 3,38 2,41 0,40 1,12 1,10 1,17
2010 0,00 0,00 1,10 1,12 1,10 1,18
2011 0,89 0,99 2,30 1,13 1,11 1,21
2012 2,26 2,18 2,20 1,16 1,14 1,24
2013 3,29 0,25 1,50 1,20 1,14 1,26
  18,25 13,18 23,00 Plus: 20% Plus 14% Plus 26%
             
Lizenz für Tabelle: rossaepfel-exkurse.de: CC+BY      
Quelle: Kumulation der Werte aus:        
http://www.dia-vorsorge.de/faktencheck/einkommenvermoegensparverhalten/faktencheck-rente-und-inflation.html
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2013/04/2013-04-17-kabinett-rentenwert.html v.7.6.2013
             

 

 


 



4) Schiefes Pisa?


Erhebliche zusätzliche Kosten und Probleme entstehen dadurch, dass die Einwanderer der zweiten oder dritten Generation ihre Lebenspartner nicht in ihrem deutschen oder deutsch-ethnischen Milieu suchen oder finden, sondern – oft schon in sehr jungen Jahren – in ihren Herkunftsländern heiraten bzw. verheiratet werden mit Partnern, die keinerlei deutsche Sprachkenntnisse mitbringen. Diese sind nicht selten auch in Deutschland gegen Sprachkurse und Kontakte mit der deutschen Bevölkerung durch naheliegende Alternativen weitgehend blockiert, so dass dann oft auch ihre Kinder mit dem Schuleintritt durch mangelnde deutsche Sprachkenntnisse zu Pisa- und Sozialhilfe-Aspiranten werden.

Die Migranten der zweiten Generation haben allerdings innerhalb ihrer Gruppe eine geringere Auswahl an möglichen Partnern als die Mehrheitsbevölkerung, in der sie auch nicht ohne weiteres ihre Partner suchen oder finden. Außerdem haben einige von ihnen auch gewisse Vorbehalte gegenüber Partnern aus ihrer Herkunfts-Gruppe, in der es auch erhebliche kulturelle Differenzierungen geben kann. Sh. dazu die Studie von Gaby Straßburger: "Warum aus der Türkei? Zum Hintergrund transnationaler Ehen der zweiten Migrantengeneration", in: GeoPoint Nr. 10, Augsburg, Juni 2002, über http://www.geo.uni-augsburg.de/sozgeo/shtml/publikationen/ > GeoPoint Nr. 10 > Transnationale Ehen heute > zu http://www.geo.uni-augsburg.de/sozgeo/gp/gp10/strass.htm. Dort heißt es:
 

Wie die statistische Analyse des Heiratsverhaltens türkischer Staatsangehöriger zeigt, sind ca. sechzig Prozent der Ehen transnational. 1996 wurden entsprechend 17.662 Visa für Ehegattennachzüge nach Deutschland ausgestellt.
 

Die Studie von Gaby Straßburger ist ein wichtiger Beitrag gegen Simplifikationen, aber durch vorschnelle Entscheidung der Heiratskandidaten oder ihrer Familien für solche transnationale Ehen wird die Einwanderungspolitik unterlaufen. Auch der Wunsch der Familie nach Sippen-Zusammenführung spielt in etlichen Fällen eine Rolle. Es kommt sogar in Deutschland vor, dass sie ihre Töchter nach der Flucht aus solchen Zwangsehen durch die eigenen Brüder umbringen lassen. Idea Online schreibt dazu:
 

Hatun Sürücü ist schon das sechste Opfer, das im letzten halben Jahr in Berlin sterben mußte, weil sie durch ihren "westlichen" Lebensstil die Familienehre verletzt hatte. Die Täter sind vermutlich drei ihrer Brüder.
 

sh. Christine Schirrmacher: "Die 'Ehrenmorde' von Berlin", ideaSpektrum, Nr. 9 vom 2.3.2005, dort unter "Schnellsuche" zu finden mit Eingabe "Ehrenmorde"  (Änderung des Vornamens von Hatün in Hatun zur Recherchen-Vereinfachung durch den Verfasser). Sh. zu diesem Mordfall auch Martin Reichert: "Wenn das Familiengericht tagt", taz Nr. 7597, 22.2.05. -Häufiger geschieht die  Sippen-Zusammenführungen durch den kulturell akzeptierten Nachzug von Frauen.  Jedenfalls werden durch deren weitgehende Beschränkung auf die Herkunftssprache die sprachlich benachteiligten Gruppen mit ihren Kindern und die blamablen Ressentiments von rechts verstärkt. Das erkennen auch viele Migranten, die den Umfang dieses Phänomens kritisieren.

Die dänische Regierung schränkt solche Probleme ein durch entsprechende Auflagen. Dazu heißt es im deutschen "Jahresgutachten 2004 des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration", Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 19.10.2004, S. 166 (Blatt 167), Abschnitt "Familiennachzug":
 

Das dänische Ausländergesetz sieht für die Familienzusammenführung vor, dass Nicht-EU-Ausländer mit Verwandten in Dänemark eine Niederlassungserlaubnis bekommen können. Dies gilt für (Ehe-)Partner, sofern beide älter als 24 Jahre sind, und für Kinder unter 15 Jahren. Zudem muss angemessener Wohnraum zur Verfügung stehen, muss der Unterhalt gesichert sein und dürfen innerhalb der zurückliegenden 12 Monate von dem in Dänemark Lebenden keinerlei staatliche Transferleistungen in Anspruch genommen worden sein. Zusätzlich ist eine Bankgarantie in Höhe von 7.100 Euro zu erbringen und es müssen beide Partner ’stärkere Bindungen mit Dänemark aufweisen als zu irgendeinem anderen Land’. Eine Niederlassungserlaubnis wird zunächst für einen begrenzten Zeitraum erteilt, kann aber verlängert werden. Auf Antrag kann nach einigen Jahren die vorläufige in eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis umgewandelt werden. Grundsätzlich ist mit der Niederlassungserlaubnis in Dänemark auch eine Arbeitserlaubnis verbunden,
 

zu finden unter http://www.bamf.de/template/index_suchen.htm mit dem "Ausdruck" ["Das dänische Ausländergesetz sieht"] - Hervorhebungen vom Verfasser.

Solche Anforderungen wären keineswegs nur an türkische Zuwanderer zu richten. Sie hätten zum Beispiel auch bei den zuletzt eingewanderten Russlanddeutschen beachtet werden müssen, deren junge Generation aufgrund mangelhafter Sprachkenntnisse und vorenthaltener Förderungsmittel einen nicht geringen Beitrag zu den schlechten Pisa-Ergebnissen leistet. Auch hier ist die weitgehende Beschränkung auf die Herkunftsgruppe zugleich Ursache und Folge der sprachlichen Integrationsprobleme. Nicht jeder von ihnen kann diesen Zirkel durchbrechen.

Auch hier müssten ausreichende Sprachkenntnisse, z.B. für den Schulunterricht, gewährleistet werden, obwohl viele dieser Einwanderer trotz fehlender Deutschkenntnisse lt. ihrem russischen Pass nicht als Russen, sondern als Deutsche gelten und in Russland auch so gesehen werden. Zumindest ihre Eltern haben nach jahrzehntelangen Diskriminierungen in Russland, insbesondere als Folge des deutschen Überfalls, noch eine starke emotionale Bindung an Deutschland.

Die guten Pisa-Ergebnisse in Finnland beruhen nicht zuletzt darauf, dass dort der Ausländeranteil lediglich 2% beträgt und bereits im Pflicht-Kindergarten eine intensive Sprachförderung stattfindet; sh. dazu: Thelma von Freymann: "Warum ausgerechnet Finnland? Anmerkungen zu den finnischen PISA-Ergebnissen", Sonderdruck PISA 2002, Hrsg: Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen e.V., Mai 2002, unter http://www.finland.de/dfgnrw/dfg043a-pisa04.htm, und dieselbe: "Zur Binnenstruktur des finnischen Schulwesens", aus: Zeitschrift "Freiheit der Wissenschaft", 2/2002, Juni 2002, unter http://www.finland.de/dfgnrw/dfg043a-pisa07.htm.

Der Ausländeranteil in Deutschland lag im Jahre 2003 bei 8,9%. Darin sind keine Deutschen mit einer zweiten Staatsangehörigkeit enthalten und natürlich auch keine eingebürgerten Deutschen ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse; sh. die interessante Webseite von Andreas Schelper und Klaus Brenner: aufenthaltstitel.de und dort den Artikel "Zahl der ausländischen Personen 2003 fast unverändert", 21.1.2005, unter http://www.aufenthaltstitel.de/stichwort/auslaenderanteil.html.






5) Karstadt als Grenzanbieter?


Es wird stets auf allen Märkten Grenzanbieter geben, gerade auch im konsumsensiblen Bereich, und die werden am ehesten durch die Umverteilung nach oben gefährdet. Damit ist z.B. auch das Baugewerbe betroffen, nicht zuletzt wegen der Umverteilung von den privaten und staatlichen potentiellen Bauherren zur privaten Geldvermögenshortung Weniger und auch wegen der Kürzung oder Streichung der Eigenheimzulage.

SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter macht es sich also zu leicht, wenn er nur auf die anderen zeigt: "Die vielen Arbeitsplätze, die hier gefährdet sind, die haben die Manager auf dem Gewissen"; sh. "Karstadt-Belegschaften geben sich kampfbereit", tagesspiegel.de, 29.9.2004, unter http://www.tagesspiegel.de/tso/aktuell/artikel.asp?TextID=42828.

Das Prinzip "Haltet den Dieb" bevorzugt auch Gerhard Schröder, wenn er sich hier über die Folgen der Konsumschwäche ebenso empört wie bereits über die massenhafte Arbeitsplatzverlagerung durch das selbst abgesegnete subventionierte Steuerdumping. In diesem Punkt hat sich die rosa-gilbgrüne Regierung so weit nach rechts ins neoliberale Lager geschlagen,  dass sie  durch die Neoliberalen Stoiber und Sarkozy nur noch links überholt werden konnte:
 

’Es geht nicht, dass neue EU-Mitglieder ihre Dumpingsteuersätze mit hohen Subventionen aus Brüssel finanzieren.’ - Mit diesen scharfen Worten stellt sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber auf die Seite Frankreichs. Finanzminister Nicolas Sarkozy hat gefordert, Steuersätze und EU-Förderungen zu koppeln: Demnach sollen diejenigen Staaten, deren Steuersätze unter dem europäischen Durchschnitt liegen, keine Ansprüche mehr auf EU-Strukturfonds haben …
Vor allem die Erweiterungsstaaten im Osten konkurrieren mit niedrigen Steuersätzen. Gleichzeitig fließt ein guter Teil der Strukturförderung in die neuen EU-Mitgliedsstaaten. Wenig überraschend hat unter anderem Tschechiens Präsident Vaclav Klaus Sarkozys Ideen scharf abgelehnt und einen ’großen Fehler’ genannt…,
 

zitiert aus: "’Normale Steuern’ – oder Fördergelder weg", derStandard.at, 20.9.2004, unter http://derstandard.at/?url=/?id=1787154.

Die Ursache für die Probleme bei Karstadt ist lt. Ablenkungsmanöver von Gerhard Schröder "Unfähigkeit bis zum Gehtnichtmehr", aus: "Kanzler wirft Karstadt-Management Totalversagen vor", spiegel.de, 30.9.04, gegen Gebühr unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,320860,00.html, aber diese Unfähigkeit zeigt sich am deutlichsten in der Konsumschwächung durch die Umverteilung nach oben. Siehe zur "Unfähigkeit bis zum Gehtnichtmehr" auch den Bericht mit Leserbriefen "Hilfloser Helfer", abendblatt.de, 5.10.2004, unter http://www.abendblatt.de/daten/2004/10/05/348706.html.

Schon beim Karstadt-Ergebnis für 2003 wurde von Analysten auf die Konsumzurückhaltung hingewiesen; sh. "Karstadt-Quelle 2003 mit Gewinnrückgang", faz.net, 18.3.2004, dort zu finden mit Archivsuche.

Der Erfolg des Metro-Konzern beruht nicht zuletzt auf seinem Geschäft in anderen Ländern, wo noch genug Konsumpotential vorhanden ist.

Dass es sich keineswegs nur um eine Unfähigkeit der ehemaligen Karstadt-Manager handelt, zeigt die Kurve der jährlichen "Gesamtarbeitsplatzverluste zusammengebrochener Unternehmen in Deutschland", die seit Beginn der Steuersenkungen für Besserverdiener von 448.000 im Jahr 2000 auf 613.000 Im Jahr 2003 angestiegen ist.; sh. Creditreform: "Mehr Arbeitsplatzverluste durch Insolvenzen", unter http://www.creditreform.de/angebot/analysen/0034/03.php und von dort zur Download-Seite mit dem ausführlicheren Bericht über eine geringfügige Besserung in 2004: "Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen 1. Halbjahr 2004", unter
http://www.creditreform.de/angebot/Downloads_Analysen/ , wo in der Tabelle auf Seite 13 auch die Zahl von 613.000 zu finden ist.

Wenn jedes Jahr über eine halbe Million Menschen durch Insolvenz arbeitslos werden , dann ist Hartz IV bei über 5 Millionen Arbeitslosen  plus ca. 1,5 Millionen Beschäftigten in Qualifizierungsmaßnahmen reine Augenwischerei (sh. "
Die offizielle Arbeitslosenzahl - Nur ein Zerrbild des Arbeitsmarktes", n-tv.de, 5.2.2003, unter  http://www.n-tv.de/2903087.html. Zur Lage im Dezember 2000 sh. Brigitte Scholtes: "Mehr Pleiten von Firmen und Haushalten", Berliner Zeitung, 1.12.2000, unter http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/1201/wirtschaft/0049/.

Auch wenn die Christiansen-Talkshow eher als neoliberale Inszenierung erscheint, wirkte der Karstadt-Quelle-Manager und Urban-Nachfolger Christoph Achenbach bei seiner Teilnahme am 3.10.04 recht glaubwürdig. Aber die häufig genannten Karstadt-Verlust-Zahlen sind verwirrend: Das Jahr 2003 hat der Konzern z.B. mit einem Ertrag vor Steuern und Firmenwertabschreibung (EBTA) von 225 Millionen Euro abgeschlossen (sh. Karstadt-Quelle: "Zahlen & Fakten", unter http://www.karstadt-quelle.com/ir/62.asp, und Karstadt-Quelle-Glossar, unter http://karstadt-quelle.de/englisch/konzern/3652.asp), obwohl der Konzern auch in dem Jahr bis zur Jahresmitte einen Verlust von 296 Millionen Euro hatte; sh. "Das kommt: Quartalszahlen Karstadt-Quelle", Handelsblatt, 30.7.04, dort zu finden gegen Gebühr mit Archivsuche.

Für das Jahr 2004 sollte es jedoch wegen der Konsumschwäche wesentlich schlimmer kommen. Die Einschnitte erscheinen also notwendig, auch wenn Achenbach mit seinen Beratern vielleicht nicht alle Ausweich-Möglichkeiten des Marketing erkennt und richtig einschätzt. Aber wer kann das schon!

Der Karstadt-Ex-Manager Urban wurde für seine "Leistungen" jedenfalls so gut entlohnt, dass zumindest  er  weiterhin den Konsum ankurbeln und Luxuskarossen kaufen kann:
 

Ex-Karstadt-Boss Wolfgang Urban (59) verzettelte sich, kaufte Fitness-Center und Starbucks-Cafés, beteiligte sich am Sportsender DSF. Mit jedem Investment rutschte KarstadtQuelle tiefer in die Krise. Im Mai zog der Aufsichtsrat die Notbremse, löste Urban ab. Seine Abfindung: satte 10 Millionen Euro,
 

bild.de, 29.9.2004, unter  http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html, und von dort über das Archiv.





6) Opel als Grenzanbieter?


Die SÜDDEUTSCHE schreibt:
 

Im benachbarten Polen liegen die Arbeitskosten einschließlich der Nebenkosten bei nur 15 Prozent des Rüsselsheimer Niveaus. In Schweden schlägt sich eine Arbeitsstunde mit 54 Prozent der deutschen Kosten nieder. In Spanien geht es um ein Drittel billiger… Grenzüberschreitende Konkurrenz gab es lange nicht… Jeder siebte Arbeitsplatz hängt vom Auto ab. Gewerkschaften und Politiker sollten aufhorchen. Andere werden sich ermutigt fühlen, GM nachzuahmen…Eine weitere Job-Erosion lässt sich aber nur verhindern, wenn es gelingt, die Lohnnebenkosten so weit zu senken, dass Deutschland in Europa nicht mehr teurer ist als die Nachbarn, wenigstens nicht als die im Westen. (ebd., Hervorhebungen vom Verfasser).
 

Die extrem niedrigen Arbeitskosten in Polen (wo General Motors ebenfalls produziert) und in den übrigen neuen Beitrittsländern können vor allem durch die Kombination mit deren subventionierten Dumpingsteuern von den deutschen Nutznießern als Brechstange gegen den Sozialstaat in Deutschland und Europa genutzt werden. Dies soll durch die kommende EU-Verfassung (ohne Sozialbindung des Eigentums - sh. http://www.eu-verfassung.org/) zementiert werden. Dazu schreibt der Theologe und Sozialethiker Ulrich Duchrow in seinem Artikel "Der Gott der EU-Verfassung":
 

Nur die indirekten Steuern sollen harmonisiert werden (III.62), nicht jedoch die direkten Steuern wie z. B. die Unternehmenssteuern. Gerade aber hier müßte auf EU-Ebene das Steuerdumping der Konzerne gestoppt werden, einer der Hauptgründe für die Überschuldung der öffentlichen Haushalte,
 

zitiert aus: Weißenseer Blätter, Heft 2/2004, unter http://www.weissenseerblaetter.de/h02a_04.htm . Mit "III.62" ist Artikel III-62 des EU-Verfassungsentwurfs gemeint, der als Version vom 18.7.2003 gespeichert ist unter http://european-convention.eu.int/docs/Treaty/cv00850.de03.pdf, zu erreichen über http://www.eu-verfassung.org/ mit langer Ladezeit.

Die von der SÜDDEUTSCHEN geforderte Senkung der Lohnzusatzkosten in Deutschland wäre in der Tat eine vernünftige Maßnahme. Sie könnte aus höheren Spitzensteuersätzen für Besserverdiener  wie in Dänemark und Schweden erfolgen. Aber das würden die besserverdienenden Wirtschaftsredakteure der SÜDDEUTSCHEN wahrscheinlich nicht vorschlagen. Ansonsten ist ihre Argumentation nicht ganz zutreffend. In Schweden schlägt sich eine Arbeitsstunde im allgemeinen nicht mit 54 Prozent der deutschen Kosten nieder. Die Automobilwoche schreibt, die "Arbeitskosten" seien "in Hessen … rund 45 Prozent höher als in Schweden"; sh. "GM hat laut Studie ein Werk in Europa zu viel", 3.9.2004, unter http://automobilwoche.com/cgi-bin/news.pl?newsId=3680. Das würde dann in Schweden aber immerhin nur 69% der deutschen Kosten ergeben.

Lt. Institut der Deutschen Wirtschaft (iw-koeln.de) lagen die schwedischen Arbeitskosten in 2003 bei 22,77/27,09 = ca. 83% des westdeutschen Niveaus und bei 22.77/16,86 = 135% des ostdeutschen Niveaus; sh. die Tabelle "Arbeitskosten: Ein ostdeutscher Standortvorteil – Arbeitskosten je Arbeiterstunde im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2003 in Euro" in: "Argumente zu Unternehmensfragen 10/Oktober 2004, Arbeitskosten: Keine Verschnaufpause", zu erreichen über http://www.iw-koeln.de/suche/frs_search.htm > suche [arbeitskosten] und in dem Text mit Klick auf "Tabelle 3", aber auch durch Klick auf "Inhalt" als komplette PDF-Datei zu betrachten; zu finden mit den vorstehenden Angaben auch unter http://www.iw-koeln.de/Publikationen/frs_publikationen.htm.

Aber das subventionierte  Steuerdumping fällt anscheinend stärker ins Gewicht als die Lohnkosten, denn diese betragen bei Opel wie z.B. beim Kerngeschäft von VW ohnehin nur etwa 16% bzw. 15% der Produktionskosten. Dazu Franz Lehner, Präsident des Instituts für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen,  in einem Interview mit Klaus Remme: "Arbeitsexperte: Opel-Krise hat kaum Einfluss auf Region", Deutschlandfunk, 21.10.2004, mit dem Zitat: "Wenn man sich jetzt mal vorstellt, Opel würde 10 Prozent seiner gesamten Belegschaft entlassen, dann würde man etwa 1,6 Prozent de Kosten senken können", unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/313660/.

Die Adam Opel AG ist – wie Karstadt-Quelle - ein schlecht gemanagter Grenzanbieter (marktferne Modellpolitik, Kaputtsparen, mangelnde Modernisierungsinvestitionen in den bedrohten Werken) und schreibt seit Jahren rote Zahlen. Der Arbeitsplatzabbau durch die Opel-Mutter General Motors trifft hier aber besonders Werke in Deutschland auch wegen der hohen Lohn- und Lohnzusatzkosten. Die äußerst schlechten Absatzzahlen liegen nicht in erster Linie an der Konsumschwäche. Ein Branchenkenner sagte, dass mit dieser mangelnden Auslastung in den betroffenen Werken auch bei völligem Lohnverzicht noch Verluste produziert würden: Aber bei der Entscheidung über Kapazitätsveränderungen an unterschiedlichen Standorten dürften die Lohnzusatzkosten doch stark ins Gewicht fallen.

Die realen Nettolöhne lassen sich kaum senken, sondern sollten nicht zuletzt durch allmähliche Steuerfinanzierung von Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer - auch im Interesse der Konsumnachfrage - produktivitätskonform wachsen. Aber die Lohnzusatzkosten lassen sich – vor allem durch höhere Spitzensteuersätze nach dem skandinavischen Modell – zügig absenken (sh. dazu im einzelnen http://www.rossaepfel-theorie.de).






7) "Gesundheitsfonds" zur Umverteilung nach oben

verlagert am 8.8.2006 nach http://www.rossaepfel-theorie.de/Gesundheitsreform.htm 






8) Neoliberalismus?


Zur häufig verwendeten Bezeichnung "Neoliberalismus" und zum "Liberalismus" sh. hier die französisch- und englischsprachigen Artikel aus der Übersetzungen von Wikipedia-Artikeln aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen auf der "Startseite", sowie den deutschen Wikipedia-Artikel Neoliberalismus.

Insbesondere in dem englischsprachigen Artikel werden die internationalen Aspekte des Themas ausführlich behandelt. Er bietet aber auch kritische Hinweise zum Neoliberalismus aus binnenwirtschaftlicher Sicht, während der deutsche Wikipedia-Artikel zum Neoliberalismus in seiner Fassung vom 18.1.2005 (sh.
Startseite) stärker von der ständigen Auseinandersetzung mit den hier noch dominierenden neoliberalen Theoretikern geprägt scheint. Insofern gibt es auch diesmal ein theoretisches Time-Lag bei der Nachahmung der US-Ideologien.  In der praktischen Wirtschaftspolitik stehen ihnen die Neoliberalen in den USA jedoch nicht nach.





9) Peter Krämer



Der Hamburger Reeder Peter Krämer hat sich schon - wie einige Neoliberale - bei UNICEF einen Namen gemacht, gehört aber selbst ganz und gar nicht in deren Kategorie. Zum Thema Neoliberalismus ist er hier erst ins Blickfeld getreten durch seine  Interviews vom 8.11.05 (bis 12:42h) im Deutschlandfunk mit Elke Durak und am 9.11.05 bei RTL mit Günther Jauch bei stern.tv (zufällig beim Zappen entdeckt). Leider gab es beim DLF wohl keinen Speicherplatz mehr für dieses Interview, da die Speicherung von Belanglosigkeiten vielleicht opportuner erschien. Krämers plötzliche unverkennbare politische Bedeutung für Deutschland entstand erst durch seine Initiative für ganzseitige Anzeigen in BILD Hamburg und FAZ zum 5.11.05 gegen die Umverteilung nach oben bei den laufenden Koalitionsverhandlungen der Neoschwarzen und Rotgesprenkelten. Die Anzeigen bestanden aus einem offenen Brief an Angela Merkel und Franz Müntefering mit der äußerst zurückhaltend formulierten "klassenverräterischen" Forderung:
 

Belasten Sie die Vermögenden, statt den Arbeitnehmern und Rentnern weitere Opfer abzuverlangen
 

und dem Hinweis darauf, dass die eine Erhöhung der vermögensabhängigen Steuern auf das britische Niveau zusätzliche 38  plus 28 Milliarden Euro jährlich in die öffentlichen Kassen spülen würde (sh. den offenen Brief seiner Gruppe in FAZ und BILD Hamburg unter bremer-montagsdemo.de), also deutlich mehr als die arbeitsplatzvernichtende Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte, ganz zu schweigen von der "lächerlichen Reichensteuer" der SPD-Rosstäuscher mit einem Volumen von maximal 1,2 Milliarden Euro.

Da es sich um eine Anzeige handelt und der Abdruck hier aus dem Zusammenhang sinnvoll erscheint, dürfte gegen die vollständige Sicherungskopie aus der genannten Quelle bremer-montagsdemo.de im Folgenden nichts einzuwenden sein:

 

Die Reichensteuer ist lächerlich

Sehr geehrte Frau Merkel, sehr geehrter Herr Müntefering, Sie führen zur Zeit Koalitionsverhandlungen mit dem Ziel, eine große Koalition zu bilden und unser Land vier Jahre zu regieren. 16 Jahre Kohl-Regierung und sieben Jahre Rot-Grün haben die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Vermögenden, den Arbeitnehmern und insbesondere den Arbeitslosen immer weiter auseinandergehen lassen.

In den Jahren von Rot-Grün wurde die Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt, es hat zahlreiche steuerliche Erleichterungen für Unternehmer gegeben mit dem Ergebnis, dass kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen wurde. Wenn Sie die Massenkaufkraft stärken wollen, wenn Sie Arbeitsplätze schaffen wollen, dann schaffen Sie das Steuerparadies für wirklich Reiche in Deutschland ab und sorgen Sie für eine gerechte Besteuerung! Bund, Länder und Gemeinden stehen vor katastrophalen Finanzproblemen, soziale Leistungen werden gekürzt, Schulden über Schulden zu Lasten der Generation unserer Kinder und Enkel gemacht!

Es ist ein Skandal, dass Deutschland im internationalen Vergleich die niedrigste Besteuerung für Vermögensbestände hat (Quelle: OECD, Revenue Statistics. Paris 2004). Fasst man Grundsteuer-, Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer zusammen, ist Großbritannien mit einem Anteil von 4,3 Prozent am Bruttosozialprodukt Spitzenreiter; es folgen Frankreich mit 3,3, die USA mit 3,2, Japan mit 2,8 Prozent. Und Deutschland: 0,8 Prozent! Folgt Deutschland dem Beispiel von Großbritannien und passt die Besteuerung unter anderem von Vermögen um weitere drei Prozent an das Bruttosozialprodukt an, so ergäbe dies die Summe von 66 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Nach Abzug der nur in Deutschland anfallenden Gewerbeertragssteuer in Höhe von 28 Milliarden, die maßgeblich den Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zustehen, ergäbe dies immer noch Mehreinnahmen von 38 Milliarden jährlich!

Die von der CDU geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent zur Senkung der Lohnnebenkosten bringt dagegen nur 16 Milliarden Euro, belastet dabei auch Rentner und Arbeitslose und ist angesichts der fehlenden Besteuerung von großen Vermögen als zutiefst unsozial anzusehen. Die von der SPD gewünschte Erhöhung des Einkommenssteuerspitzensatzes von 42 auf 45 Prozent bedeutet Mehreinnahmen von gerade einmal 1,5 Milliarden Euro, also eher lächerlich im Vergleich zu den oben erwähnten Mehreinnahmen.

Sehr geehrte Frau Merkel, sehr geehrter Herr Müntefering, Deutschland braucht exzellente Lehrer, bessere Schulen und eine gute Kinderbetreuung – aber kein Steuerparadies für Reiche mitten in Europa. Tun Sie endlich etwas! Fassen Sie die erforderlichen Beschlüsse in Ihren Koalitionsverhandlungen! Belasten Sie die Vermögenden, statt den Arbeitnehmern und Rentnern weitere Opfer abzuverlangen! Einige von den Unterzeichnern müssten dann höhere Steuern zahlen und sind dazu bereit!

Günther Bock, Ihib Bode, Ulrich Brömmling, Rüdiger Dammann,
Gabriele Gillen, Günter Grass, Bruno Haas, Susann Haltermann, Frank Hansen, Rudolf Hickel, Peter Krämer, Barbara Krebs, Erich Loest, Oskar Negt, Tom A. Plange, Oliver Rohde, Percy Rohde, Peter Rühmkorf, Klaus Staeck, Johano Strasser und Paul Tiefenbach in einer Anzeige in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 5. November 2005. – Vorgetragen von Jens Schnitker (parteilos)

 

Vergleiche hier auch die längere Passage "Reichensteuer"  unter rossaepfel-theorie.de mit etlichen Weblinks.

Man sieht auch, dass der Schwerpunkt dieser Anzeige nicht bei der Einkommensteuer und sonstigen Ertragsteuern, sondern bei den Vermögen-, Erbschaft- und sonstigen Substanzsteuern liegt. Die werden hier unter dem Thema "Steuersenkung für Bestverdiener" in Abschnitt 1 bisher kaum behandelt, weil sie von der großen neoliberalen Wende der (Ertrag-)Steuersenkung für Bestverdiener (ab 1998) nicht betroffen waren. Vielmehr ist dafür ein besonderer Abschnitt vorgesehen, der sich vor allem mit ihrer Abschaffung nach dem BVG-Urteil von 1995 und der Art und Weise befassen soll, wie der neoliberale Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts unter dem maßgebenden Einfluss seines Berichterstatters Paul Kirchhof als quasi legislative Entscheidung gegen das Minderheitsvotum des Richters Ernst Böckenförde zustande gekommen ist (BVerfGE 93, 121 – Einheitswerte II", unter http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv093121.html, Oliver Sauer: "Abschied vom Halbteilungsgrundsatz", Forum Recht 4_2006, und Rudolf Hickel: "Nachhaltige Finanzpolitik mit der Vermögensteuer", iaw.uni-bremen.de, 1/2003). 

Die Forderung nach Substanzsteuererhöhung bezieht sich hier jedoch ohnehin mehr auf die Erbschaft- und Schenkungssteuer. Damit ließe sich die konjunktur- und demokratieschädliche Ausartung der Ungleichverteilung etwas abmildern (sh. rossaepfel-theorie.de/Abschnitt_1b.htm#Ausartung) - ohne die problematisierte Kumulation des Vermögensteuersatzes mit dem Einkommensteuersatz (sh. hier letzter Absatz). Man kann nur staunen, in welchem Ausmaß die Vermögenskonzentration mit Hilfe der Lobby in Deutschland gefördert wird durch den Verzicht auf eine angemessene Erbschaftsteuer nach dem Vorbild von Ländern mit viel geringerer Arbeitslosenquote wie Dänemark, Niederlande, USA usw. (sh. BMF: "Monatsbericht 06/2004 -Erbschaftsteuerbelastung im internationalen Vergleich", Abbildung 2: "Übertragung eines Unternehmens an ein Kind").

Zunächst hat sich jedoch die SPD im Koalitionsvertrag mit der CDU zur Umverteilung nach oben nicht nur auf die Mehrwertsteuererhöhung eingelassen, sondern auch eine weitere Begünstigung großer Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer unterbringen lassen:
 

Sollten die Verfassungsrichter diese abnicken, ist der Weg für weitere Vergünstigungen ab 2007 frei. Dann soll Betriebsvermögen bis zu einem Wert von 100 Millionen Euro ganz von der Schenkungsteuer befreit werden, sofern der Nachfolger die erhaltene Gesellschaft, Einzelfirma, Kanzlei oder Praxis anschließend zehn Jahre lang weiterführt.
 

Sh. valuenet.de, Stand 10.3.06, mit eher wohlwollender Beschreibung der hanebüchenen steuerverkürzenden Unterbewertungen. Sh. auch Koalitionsvertrag "Gemeinsam für Deutschland - mit Mut und Menschlichkeit", 11.11.05 (pünktlich zum Karnevalsbeginn!), Abschnitt "2.5 Erbschaftsteuer". Eine passende Begründung zur Steuersenkung für diese Millionenerben hat man auch schon gefunden: Erhalt der Arbeitsplätze. - Die ist zwar falsch (sh. die oben zitierte Vergleichstabelle "Übertragung eines Unternehmens an ein Kind"), aber man könnte glauben, dass sie zumindest ehrlich gemeint ist, wenn nicht zugleich anderen Maßnahmen zur Umverteilung nach oben durchgedrückt worden wären - wie die Mehrwertsteuererhöhung und die Absicherung der erfolgten Steuersenkungen für Bestverdiener .

Der Erbübergang gesunder Familienunternehmen an die Kinder lässt sich auch durch rechtzeitige Vorsorgekapitalbildung mit Todesfallabsicherung und durch die Beteiligung von Arbeitnehmern regeln. Bei der hierzulande üblichen hohen Fremdkapitalquote solcher Unternehmen hält sich die Erbschaftsteuer ohnehin in Grenzen. Wenn die normalerweise völlig unterbewerteten 100 Millionen Eigenkapital einem tatsächlichen Wert von z.B. 200 Millionen entsprechen und wenn dies 20 Prozent des Gesamtkapitals sind, dann würde es sich schon um ein Unternehmen mit einem Gesamtkapital von 200/0,2 = eine Milliarden Euro handeln. - Die Übertragung von weitgehend entschuldeten großen Immobilienbeständen lässt sich problemlos durch neue Belastung im Erbfall regeln. Bei kleinen Immobilien gibt es entsprechende Freibeträge. Wertpapierbestände ermöglichen schnelle Liquidität zur Bezahlung der Erbschaftsteuer.

Als Mitunterzeichner seines offenen Briefes konnte Peter Krämer also immerhin 21 deutsche Firmeninhaber und Prominente gewinnen, darunter die Millionenerben Percy Rohde und Susann Haltermann sowie Bruno Haas und die Schriftsteller Günter Grass und Erich Loest (sh. "Reiche wollen mehr Steuern zahlen", spiegel.de, 4.11.05, taz.de, 7.11.05), aber auch einige, die bisher gegen ihre Steuersenkung für Bestverdiener nichts einzuwenden hatten.

Die Liste der Unterzeichner zeigt immerhin, dass Krämer nicht der einzige Lichtblick außerhalb des Linksbündnisses ist, und man wird schwach erinnert an die Anzeige der mehr als 400 US-Ökonomen gegen die asoziale Umverteilung durch die Bush-Regierung (sh. oben). Jahrelang hatte sich  kein deutscher Soros, Buffett oder Jim O'Neill gezeigt, kein Großunternehmer, der nicht nur profitgeleitet, sondern auch mit Geist und Herz denkt, wertet und an die Öffentlichkeit tritt. Um so beeindruckender erschien der Kontrast von Krämers uneigennützigem Denken zu  seine Interviewern, die ihre eigene Einstellung hinter ihren kritischen Fragen nicht verbergen konnten oder wollten (sh. auch den Artikel von Erich Wiedemann: "Aufhören mit Geldzählen - Ein Hamburger Multimillionär macht sich in seinen Kreisen unbeliebt, weil er ... höhere Steuern für Multimillionäre fordert", spiegel.de, 45/2005 v. 7.11.05, ein Artikel, der klar über dem durchschnittlichen Charakter-Niveau der Meinungsmacher liegt und der  auch gespeichert ist im Cache bei cdv-board.de).

Krämer "hält auch die Steuerfreiheit bei der Vermarktung seiner Schiffe, der er einen Teil seines Reichtums verdankt, für einen Skandal" (ebd.). Bei einem Interview Krämers mit dem "Publikumsliebling" (sh. mdr.de) Günther Jauch drängte sich der Eindruck auf, dass Jauchs Einwände nicht nur Fragen waren. Jauch wandte sich unter anderem gegen die Erbschaftsteuer mit dem Argument, dass das angesammelte Vermögen doch schon als Einkommen versteuert sei, und fragte, wie Krämer einem Erben die Erbschaftsteuer erklären wolle. Dazu Krämer: Ich würde ihm sagen: "Ich habe das Geld zwar versteuert, aber du noch nicht."

Auch Krämers UNICEF-Arbeit konzentriert sich nicht auf Benefizveranstaltungen zur Spender-Präsentation mit Sekt und Kaviar. Sie dient dem Bau von Schulen in Afrika:
 

Sein schwärmerisches   Resümee dazu: "Es ist so wunderbar mit anzusehen, wie bildungshungrig diese Kinder sind".
 

(spiegel.de, a.a.O.).

Man kann es nachempfinden, wenn man an die weit verbreitete Nullbock-Mentalität und bequeme Konsumhaltung in Industrieländern denkt oder an den krampfhaften Rettungsgriff der Millionäre zu ihren Brieftaschen, wenn es um die Korrektur der Primärverteilung geht. Dazu Krämers Beispiel seines Spendenaufrufs, der aber anscheinend weder mit Schickimicki noch mit ausreichender Gelegenheit zur Selbstdarstellung der Spender verbunden war:
 

Die Reaktion auf den Bettelbrief, den er in Sachen "Schulen für Afrika" an seine Reederkollegen schickte, wertet Krämer als Bestätigung für seine Annahme, dass das Großkapital mehr Druck braucht, um seine gesellschaftlichen Pflichten zu erfüllen. Der Brief brachte null Resultate. "Hören Sie: null."
 

(spiegel.de, a.a.O.). Dieser Reflex  könnte ihm auch in seinem Wirkungsbereich noch einmal die Mentalität vieler Systemprofiteure vorgeführt und einen zusätzlichen Impuls für sein öffentliches Auftreten gegeben haben. Auch die große und löbliche Spendenbereitschaft durch auflagenstarken Medienrummel sieht er mit gemischten Gefühlen. Krämer am 6.12.05 bei einer ARTE-Gesprächsrunde sinngemäß: "In Afrika ist jede Woche ein Tsunami".

Den eigentlichen Anstoß hat Peter Krämer selbst genannt. Dabei hat sich  Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung ein besonderes Verdienst erworben mit seinem Artikel: "Deutschland hat international niedrigste Besteuerung von Vermögen  'Eine Steuer auf Spitzenvermögen ist kein Abenteuer, sondern Pflicht'", SZ, 5.7.05, auf den Peter Krämer am 13.7.05 in der rechtslastigen Sabine-Christiansen-Show hingewiesen hat, und zwar gegen alle Gewohnheiten, aber dankenswerterweise mit Angabe des Erscheinungsdatums, so dass man den Text auch finden kann, sogar und hoffentlich dauerhaft beim SoVD-bv.de, Nr. 8 /August 2005. Die Information durch Prantl war Krämer so wichtig, weil er aus der täglichen Faktenselektion durch die Neoliberalen vorher kaum wissen konnte, welche möglichen Zahlen sich wirklich hinter der Ablehnung der Vermögensteuer durch ihre "Experten" und Meinungsmacher verbergen. Der Großreeder und Multimillionär Krämer erklärte, dass er durch diesen Artikel zu seiner Forderung nach höherer Besteuerung für Multimillionäre und für Schlupflöcher-verwöhnte Reeder gekommen sei, eine Forderung, die alle neoliberalen Meinungsmacher mit großem Medienecho aufschreckte.

Im Grunde ging es nur darum, dass Prantl einen internationalen Vergleich des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2002 zur Vermögensbesteuerung aus der Versenkung geholt hatte (sh. dazu den
"Endbericht" von Stefan Bach et. al. vom 27.8.2004  unter diwkompakt_2004-001.pdf mit neueren OECD-Zahlen). Aber andererseits sucht man im Jahresbericht des vermögensteuerfeindlichen Bundesfinanzministers Eichel trotz dessen sonstiger Detailfülle vergeblich nach brauchbaren Informationen über die Länder, die die Vermögen nach anderen Bemessungsgrundlagen besteuern als Deutschland. Dort heißt es nur lapidar: "In Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland ... [usw.] gibt es keine allgemeine Vermögensteuer. In den USA und Kanada werden auf der Ebene der Gliedstaaten und Gemeinden verschiedenartige 'property taxes" erhoben. Dabei handelt es sich aber nicht um Vermögenssteuern im deutschen Sinne, sondern um der Grundsteuer ähnliche Steuern. In Japan gibt es eine kommunale Rohvermögensteuer" (sh. BMF: Fachblick, Ausgabe 2004, S. 30).

Zur Vermögensteuer ist noch folgendes anzumerken: Bei 3 Prozent Zinsertrag vor Steuern wären 1 Prozent Vermögensteuer schon eine Grenzbelastung von einem Drittel, also von 33 Prozent. Bei einem halbwegs akzeptablen Spitzensteuersatz kämen z.B. noch 50 Prozent Einkommensteuer hinzu, so dass die Grenzbelastung insgesamt bei 83 Prozent läge. Selbst bei 6 Prozent Zinsen läge sie noch bei 66,5 Prozent und damit in einem Bereich, wo tatsächlich wieder von einer Enteignungssteuer (= konfiskatorischen Steuer) geredet werden könnte. Das gleiche wäre der Fall bei 3 Prozent Zinsen und 0,5 Prozent Vermögensteuer. Da man aber die Sozialversicherungsbeiträge auf keinen Fall nur den Löhnen aufbürden, sondern über Steuern finanzieren sollte, wäre zu den genannten 50 Prozent noch eine Art "Bürgerversicherungszuschlag" zu erheben. Damit wäre man etwa beim skandinavischen Niveau von knapp 60 Prozent Spitzensteuersatz (mit entsprechenden Grundfreibeträgen usw.), so dass ein nennenswerter Vermögensteuerzuschlag erst recht problematisch wäre. Daher wird hier gegenüber der Vermögensteuer einer Erbschaft- und Schenkungsteuer nach dem Vorbild der genannten Staaten eindeutig der Vorzug gegeben - in Verbindung mit einem entsprechenden Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer. Beim BVG-Urteil zur Vermögensteuer hatte Ernst Böckenförde zwar recht mit seinem Minderheitsvotum gegen die Senatsmehrheit von Paul Kirchhof (sh. oben), aber man könnte bei allzu extremen Zahlen trotzdem befürchten, dass durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer ein angemessener Spitzensteuersatz mit Zuschlag für die Steuerfinanzierung von Sozialversicherungsbeiträgen geradezu verfassungsrechtlich blockiert würde!





10) Klassenkampf-Zitate von Warren Buffett

als Exkurs zu seinem Klassenkampfzitat in rossaepfel-theorie.de, hier unten durch Fettdruck und kursiv hervorgehoben durch den Übersetzer.


Übersetzung aus dem Bericht zum Jahresabschluss 2003 der Berkshire Hathaway Inc., Seite 7, (Berkshire ist Buffetts Investment-Gesellschaft):
 

 

I can understand why the Treasury is now frustrated with Corporate America and prone to outbursts. But it should look to Congress and the Administration for redress, not to Berkshire.
 

 

Ich kann verstehen, warum das Finanzministerium nun frustriert und empört ist über die Großunternehmen in den USA. Aber es sollte Abhilfe bei der Regierung suchen, nicht bei Berkshire.
 

 
  Corporate income taxes in fiscal 2003 accounted for 7.4% of all federal tax receipts, down from a post-war peak of 32% in 1952. With one exception (1983), last year’s percentage is the lowest recorded since data was first published in 1934.
 
  Die Unternehmenssteuern in Fiskaljahr 2003 beliefen sich auf 7,4% aller Steuereinnahmen des Bundes nach einem Nachkriegshöchststand von 32% im Jahre 1952. Mit einer Ausnahme (1983), war der Prozentsatz des letzten Jahres der niedrigste seit Beginn seiner Veröffentlichungen im Jahre 1934.
 
 
  Even so, tax breaks for corporations (and their investors, particularly large ones) were a major part of the Administration’s 2002 and 2003 initiatives. If class warfare is being waged in America, my class is clearly winning. Today, many large corporations – run by CEOs whose fiddle-playing talents make your Chairman look like he is all thumbs – pay nothing close to the stated federal tax rate of 35%.   Dennoch waren die Steuersätze für Unternehmen (und für ihre Investoren, besonders die Großinvstoren) ein Hauptgegenstand der Regierungsinitiativen in 2002 und 2003. Wenn es in den USA einen Klassenkampf gibt, wird er eindeutig von meiner Klasse gewonnen. Heute zahlen viele große Unternehmen - deren agile Vorstandsvorsitzende Ihren Unternehmenschef wie einen Tolpatsch erscheinen lassen - nicht im entferntesten den föderalen Steuersatz von 35%.
 
 
  In 1985, Berkshire paid $132 million in federal income taxes, and all corporations paid $61 billion. The comparable amounts in 1995 were $286 million and $157 billion respectively. And, as mentioned, we will pay about $3.3 billion for 2003, a year when all corporations paid $132 billion. We hope our taxes continue to rise in the future – it will mean we are prospering – but we also hope that the rest of Corporate America antes up along with us. This might be a project for Ms. Olson to work on.   Im Jahr 1985 zahlte Bershire 132 Millionen Dollar an föderaler Einkommensteuer, und alle Unternehmen zusammen zahlten 61 Milliarden Dollar. Die vergleichbaren Beträge in 1995 waren 286 Millionen Dollar bzw. 157 Milliarden Dollar. Und, wie gesagt, werden wir 3,3 Milliarden Dollar für das Jahr 2003 zahlen, ein Jahr, in dem alle Gesellschaften zusammen 132 Milliarden zahlten. Wir hoffen, dass unsere Steuern in Zukunft weiter steigen werden - was ein Zeichen für unsere Prosperität wäre - aber wir hoffen auch, dass der Rest der US-Unternehmen uns darin nicht nachsteht. Dies sollte eine Aufgabe für Frau Olson sein, an der sie arbeiten könnte.


(Anmerkung des Übersetzers: Gemeint ist Pamela F. Olson - sh. unten).
 

 


Die  Fachanwältin für Steuerrecht   Pamela F. Olson wurde zur Steuerexpertin der Regierung von George W. Bush ernannt als "Assistant Secretary of the Treasury for Tax Policy" (sh. ihren Artikel "Dramatic Tax Simplification Could Ease Taxpayers' Crisis of Confidence", in: Tax Features, September-October 2002, Volume 46, Number 4, Seite 4, zu erreichen über taxfoundation.org. Allein die Überschrift entspricht schon den vertrauten neoliberalen Propagandasprüchen: "Dramatische Steuervereinfachung könnte die Vertrauenskrise der Steuerzahler entspannen".
Man könnte fast Mitleid haben mit den  "agile(n) Vorstandsvorsitzende(n)" die "Ihren Unternehmenschef wie einen Tolpatsch erscheinen lassen" (sh. oben). Buffett bezeichnet diese Steuervermeidungskünstler genauer als "talentierte Fidelspieler" im Vergleich zu jenen ehrlichen, deren Hände "nur aus Daumen bestehen". Dabei hält er in dem Jahresbericht seinen Sarkasmus gegenüber seinen oftmals ebenfalls "talentierten" Aktionären kaum zurück und auch sein Hinweis auf Frau Pamela F. Olson dürfte reiner Sarkasmus sein.
Diese Fidler werden hier in Deutschland auch durch die Bierdeckel-Akrobaten als Vorwand genommen durch eine Radikalisierung der Umverteilung nach oben mit propagierten Spitzensteuersätzen von 35 oder gar 25 Prozent unter dem Deckmantel der Steuervereinfachung.



Auszüge aus dem Interview von Lou Dobbs, CNN, 19.6.05, mit Warren Buffett:
 

 

 

DOBBS: ... the Congressional Budget Office... has research that suggests that the deficit in Social Security would be only 0.4 percent of our GDP over 75 years as compared to the other large deficits percentages that associated with trade in the budget deficit. Do you have ... a quick answer for Social Security?

 

DOBBS: ...Die Kongress-Behörde für den Staatshaushalt... hat eine Untersuchung, wonach sich das Defizit unserer Sozialversicherung im Laufe von 75 Jahren nur 0,4 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes beläuft - im Gegensatz zu anderen großen Defizit-Prozentsätzen, die im Zusammenhang stehen mit Handel und Haushaltsdefizit. Haben Sie ... eine schnelle Antwort zur Sozialversicherung?

 

 
 

BUFFETT: I personally would increase the taxable base above the present $90,000. I pay very little in the way of Social Security taxes because I make a lot more than $90,000. And the people in my office pay the full tax. We're already edging up the retirement age a bit. And I would means test ... I get a check for $1,700 or $1,900 or something every month. I'm 74. And I cash it. But I'll eat without it.

 

 

BUFFETT: Ich persönlich würde die Beitragsbemessungsgrenze über die derzeit 90.000 Dollar [jährlich] anheben. Ich zahle sehr wenig Sozialversicherungsabgaben, weil ich sehr viel mehr verdiene als 90.000 Dollar. Und die Leute in meinem Büro zahlen die vollen Abgaben. Wir heben bereits das Rentenalter ein wenig an. Und ich würde die Bedürftigkeitsprüfung... Ich erhalte jeden Monat einen [Sozialrenten-]Scheck über 1.700 oder 1.900 Dollar oder so. Ich bin 74. Und ich kassiere ihn. Aber ich werde auch ohne ihn satt.

 

 

DOBBS: You will eat without it. So will literally more than a million other Americans, as well. Means testing, the idea of raising taxes, the payroll tax. In 1983, Alan Greenspan, the Fed chairman, he had a very simple idea: raise taxes. That's what you're saying here.

 

DOBBS: Sie werden auch ohne ihn satt. So geht es buchstäblich auch mehr als einer Million anderen Amerikanern. Bedürftigkeitsprüfung, Steuererhöhungen, Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben. Im Jahre 1983 hatte der US-Notenbankchef Alan Greenspan eine sehr einfache Idee: Erhöht die Steuern. Das sagen [auch] Sie gerade hier.

 

 

 

BUFFETT: Sure. But I wouldn't raise the 12-point and a fraction payroll tax, I would raise the taxable base to above $90,000.
 

 

Buffett: Ja sicher. Aber ich würde nicht die die zwölfkommasoundsoviel Prozent Lohnsteuer anheben, ich würde die Beitragsbemessungsgrenze über 90.000 Dollar hinaus anheben.
 

 
 

DOBBS: That's a progressive idea. In other words, the rich people would pay more?
 

 

DOBBS: Das ist eine progressive Idee. In anderen Worten: Die Reichen würden mehr zahlen?

 

 
  BUFFETT: Yeah. The rich people are doing so well in this country. I mean, we never had it so good.
 
  BUFFET: Klar. Den Reichen geht es so gut in diesem Land. Ich meine, wir hatten es nie so gut.  
 

DOBBS: What a radical idea.
 

BUFFETT: It's class warfare, my class is winning, but they shouldn't be.
 

 

DOBBS: Was für eine radikale Idee.

BUFFETT: Es herrscht Klassenkampf und meine Klasse gewinnt, aber sie sollte es nicht.
 

 
 

DOBBS: Exactly. Your class, as you put it, is winning on estate taxes, which I know you are opposed to. I don't know how your son Howard feels about that. I know you are opposed to it.

At the same week the House passed the estate tax ...What is going on in this country?
 

 

DOBBS: Genau. Ihre Klasse, wie Sie es nennen, gewinnt bei der Erbschaftsteuer, aber Sie lehnen das ab, wie ich weiß. Ich weiß nicht, wie Ihr Sohn Howard das findet, aber ich weiß, dass Sie das ablehnen.

In derselben Woche wurde vom Parlament das Gesetz über die [Aussetzung der] Erbschaftsteuer verabschiedet... Was ist los in diesem Land?
 

 
 

BUFFETT: The rich are winning. Just take the estate tax, less than 2 percent of all estates pay any tax. A couple million people die every year, 40,000 or so estates get taxed.

We raise, what, $30 billion from the estate tax. And, you know, I would like to hear the congressman say where they are going to get the $30 billion from if they don't get it from the estate tax. It's nice to say, you know, wipe out this tax, but we're running a huge deficit, so who does the $30 billion come from?...
 

 

BUFFETT: Die Reichen gewinnen. Nehmen Sie nur die Erbschaftsteuer: Weniger als 2 Prozent aller Nachlässe sind überhaupt erbschaftsteuerpflichtig. Etliche Millionen Menschen sterben jedes Jahr, nur etwa 40.000 Nachlässe werden besteuert.

Wir erheben etwa 30 Milliarden Dollar aus der Erbschaftsteuer. Und, wissen Sie, ich würde gern von den Kongressabgeordneten hören, wo sie die 30 Milliarden Doller hernehmen wollen, wenn sie sie nicht aus der Erbschaftsteuer bekommen. Wissen Sie, es ist nett zu sagen: Beseitigt diese Steuer. Aber wir haben ein riesiges Defizit. Also wer soll die 30 Milliarden Dollar bezahlen?...
 

 
  DOBBS: Yet we hear the Business Roundtable, the U.S. Chamber of Commerce, whining that it's so onerous, so difficult to obey the law and to meet these regulations. What's your reaction?
 
  DOBBS: Trotz allem hören wir von den Runden Tischen der Geschäftswelt, von der US-Handelskammer das Gejammere, dass es so drückend und schwierig sei, die Gesetze zu befolgen und die Vorschriften einzuhalten. Was halten Sie davon?
 
 
  BUFFETT: Well, right now corporate profits as a percentage of GDP in this country are right at the high. Corporate taxes as a percentage of total taxes raised are very close to the low.   BUFFETT: Nun, gerade jetzt sind die Gewinne der Großunternehmen als Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes auf einem Höhepunkt angelangt. Die Steuern der Großunternehmen als Prozentsatz der Gesamtsteuereinnahmen sind fast am tiefsten Punkt.
 
 
  DOBBS: Historically we're talking about.

BUFFETT: Historically. So, you know, corporate America is not suffering, I'll put it that way...
 
  DOBBS: Sie meinen das historisch.


BUFFETT: Ja, historisch. Also wissen Sie, die US-Großunternehmen leiden nicht - so will ich das einmal ausdrücken...
 
 
  DOBBS: And some of the people you are going to meet are going to say, perhaps this evening and otherwise in business circles, are going to say, Warren, what are you talking about, raise our taxes.
 
  DOBBS: Und einige der Leute, die Sie treffen, werden sagen - vielleicht heute abend und auch sonst in Geschäftskreisen - sie werden sagen, Warren, was reden Sie da, unsere Steuern erhöhen!

 
 
  BUFFETT: They are still friends of mine, Lou.

DOBBS: You are going to get along. I know you are going to get along.

BUFFETT: Is there anyone I have forgotten to offend?
  BUFFETT: Sie sind noch meine Freunde, Lou.


DOBBS: Sie kommen damit klar. Ich weiß, dass Sie damit klarkommen.

BUFFETT: Habe ich noch irgend jemand vergessen vor den Kopf zu stoßen?
 
         

 




11) Warren Buffett zur Tolerierung von Derivaten als "finanziellen Massenvernichtungswaffen" -
nach Auszügen aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 2002 von Buffetts Investmentgesellschaft

Berkshire Hathaway, gespeichert unter http://wfhummel.net/derivatives.html (mit Backup hier unter rossaepfel-exkurse.de/files/).
 

  The derivatives genie is now well out of the bottle, and these instruments will almost certainly multiply in variety and number until some event makes their toxicity clear. Central banks and governments have so
far found no effective way to control, or even monitor, the risks posed by these contracts. In my view, derivatives are financial weapons of mass destruction, carrying dangers that, while now latent, are
potentially lethal.
  Der Geist der Derivate ist nun endgültig aus der Flasche, und diese Instrumente werden sich nun gewiss vermehren nach Art und Anzahl, bis irgendein Ereignis ihre verhängnisvolle Wirkung (ihre "Giftigkeit") klar werden lässt. Zentralbanken und Regierungen haben bisher kein wirksames Mittel bereitgestellt ("gefunden") zur Kontrolle oder wenigstens zur Überwachung der Risiken durch solche Spekulationsmittel ("Kontrakte"). Nach meiner Ansicht sind Derivate finanzielle Massenvernichtungswaffen mit Gefahren, die jetzt noch verborgen ("latent") bleiben, aber potentiell tödlich sind.  
         


Sh. auch die ähnliche Formulierung zu den "weapons of mass destruction" unter "Berkshire Hathaway Inc.: 2002 Annual Report", Omaha, 2003.

 

Zu diesen "finanziellen Massenvernichtungswaffen" heißt es in der Westdeutschen Zeitung vom 15.10.2008 unter der Überschrift
"Die Mitschuld der Politiker":

 

"2004 hat die rot-grüne Bundesregierung Hedge-Fonds und Derivate in Deutschland zugelassen. Die schwarz-rote Regierung hat dann 2005 in ihrem Koalitionsvertrag den Banken eine "Finanzaufsicht mit Augenmaß" versprochen. Nach landläufigem Sprachverständnis ist das wohl das Gegenteil von Fesseln anlegen."

 

Siehe aber die Erläuterungen dazu, dass diese "Deregulierungen" der CDU und FDP noch nicht weit genug gingen, hier unter rossaepfel-theorie/Steuer-Parasitismus.htm#Untersuchungsausschuss.




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